Parkschützer im Schlossgarten Foto: Moritz

Wir haben uns mit einem jungen Parkschützer über Schlichtung und Widerstand unterhalten.

Stuttgart - David ist 19 Jahre alt und kämpft seit einigen Monaten in vorderster Reihe gegen Stuttgart21. Im Interview erklärt er, warum er die Schlichtung ablehnt, was er von der Polizei hält und wie der Konflikt seiner Ansicht nach weitergeht. Um den Gymnasiasten vor Nachteilen zu bewahren, hat die Redaktion David anonymisiert.

Hallo David. Was halten Sie von Stuttgart21?

Nichts. Das Projekt kostet viel zu viel, und es bringt dem Bürger viel zu wenig. Außerdem stößt es mich ab, wie Bahn und Politik das Projekt durchdrücken wollen. Ganz speziell will ich die Bäume im Schlossgarten schützen, die für Stuttgart21 gefällt werden sollen. Deshalb bin ich im Widerstand.

Was halten Sie von der Schlichtung?

Diese Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt sind doch sinnlos und lächerlich. Egal was bei der Schlichtung herauskommt, die Bahn baut Stuttgart21. Das hat ihr Chef Rüdiger Grube am Tag nach der ersten Schlichtung bei einer Pro-Demo auf dem Schlossplatz verkündet. Wenn man das für bare Münze nimmt, ist die Schlichtung eine Farce. Außerdem rückt nach wie vor bei jeder Aktion der Projektgegner die Polizei an. In einem solchen Klima kann man nicht ernsthaft einen Konflikt schlichten.

Schauen Sie sich die Schlichtung live an im Fernsehen oder im Internet?

Mir genügt die Zeitung und das, was mir Freunde berichten. Wir sind uns einig, dass die Schlichtung ein Trick der Landesregierung ist, um den Protest von der Straße zu holen. Leider funktioniert das, das hat man am Samstag gesehen: Verglichen mit großen Kundgebungen vor der Schlichtung hat sich die Teilnehmerzahl glatt halbiert.

Bei der Schlichtung sitzen auch Leute am Tisch, die sich für Ihre Position starkmachen, etwa Gangolf Stocker, Hannes Rockenbauch oder Wolfgang Wölfle.

Die Teilnahme dieser Politiker ist in meinen Augen ein Fehler. Man sollte solche Gespräche nur führen, wenn man sich mit der anderen Seite wirklich auf Augenhöhe befindet. Das ist hier nicht der Fall.

Was tun Sie?

Demos, Aktionen, Sitzblockaden. Ich war auch im Schlossgarten, als die Polizei am 30.September Wasserwerfer gegen uns eingesetzt hat. Anfangs war es noch recht friedlich im Park. Dann haben ein paar Freunde und ich spontan einen Lkw der Polizei mit Absperrgittern besetzt - so fing es an.

Ich war auch im Park, als Berichterstatter für die Zeitung. Es war nicht zu überhören, dass ein Aktivist der Jugendoffensive gegen Stuttgart21 den Befehl gab, den Laster zu entern.

Es gibt bei uns keine Befehlshaber. Es gibt nur Leute, die den Überblick haben, mal zum Megafon greifen und Hinweise geben.

Was ist danach passiert?

Als wir oben auf dem Laster saßen, kam ein Polizist zu uns und sagte: Runter, oder ich schlage euch runter. Da sind wir noch freiwillig abgezogen. Später, bei den Sitzblockaden, wurde es brutal.

Was meinen Sie damit?

Ich war bei vielen Sitzblockaden gegen Stuttgart21 dabei. Da wurden wir von der Polizei klar angesprochen, mehrmals zum Gehen aufgefordert und schließlich weggetragen. Das lief immer korrekt.

Im Schlossgarten war es nicht korrekt?

Die Beamten der Bundespolizei waren vermummt, hatten Helme auf mit geschlossenem Visier. Die haben nicht lange geredet. Manche haben gleich auf uns eingetreten, mit dem Stock geschlagen oder Pfeffespray versprüht. Hauptsache, wir sind aus dem Weg geräumt. Das war beängstigend.

Warum sind Sie den Anweisungen der Polizeieinsatzleitung nicht gefolgt und haben den Weg frei gemacht?

Weil es mein Recht ist zu demonstrieren. Weil das meine Bäume sind und mein Park.

Werden Sie selbst handgreiflich?

Keine Gewalt. Das ist mein Grundsatz, und bisher habe ich mich daran gehalten.

Im Schlossgarten gab es Gewalttätigkeiten auf beiden Seiten zu beobachten.

Auch bei uns sind Einzelne ausgerastet. Gut ist das nicht. Aber da ist auch eine Portion Frust dabei: Wir erkennen, dass die vielen Stuttgart-21-Demos eigentlich nichts mehr bringen. Wir müssen heute schon mehr tun, um unser Anliegen rüberzubringen. Da bewegen wir uns schon bewusst in den Graubereich des zivilen Ungehorsams hinein.

Was sagen Ihre Eltern oder Freunde dazu?

Sie wissen über alles Bescheid und finden es okay. Meine Eltern gehen ja selbst gegen Stuttgart21 auf die Straße. Ich möchte aber betonen, dass ich aus einem voll bürgerlichen Haushalt komme. Ich bin zum Beispiel so erzogen worden, dass ich vor einem Polizisten Respekt habe. Das sehe ich seit meinem Kampf gegen Stuttgart21 anders: Ich habe erlebt, dass sich Polizisten eine schwarze Maske über den Kopf ziehen und machen können, was sie wollen. Das verstehe ich nicht. Das macht mich wütend.

Wie geht der Konflikt weiter?

Entweder die Bahn stoppt das Projekt, oder sie riskiert noch härtere Proteste und muss Stuttgart21 deshalb einstellen. Der Widerstand geht weiter, ganz klar.