Pilotenfehler und Mängel im System: Das Ende von Polizeihubschrauber „Bussard 807“ am 11. Mai 2011 in Engelsbrand bei Pforzheim. Foto: dpa

Wer überwacht eigentlich den Betrieb von Polizeihubschraubern? Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung schlägt Alarm: Niemand! Der Absturz eines Bussard im letzten Jahr offenbart gar „unzureichende Verfahren für die Personensuche bei Nacht“.

Stuttgart/Pforzheim - Die Ursache des Absturzes des Stuttgarter Polizeihubschraubers „Bussard 807“ im Mai 2011 bei einer Vermisstensuche im Enzkreis ist geklärt. Die Besatzung hatte an jenem Tag um 21.30 Uhr nach einer 77-jährigen Bewohnerin eines Pflegeheims in Engelsbrand bei Pforzheim gesucht. Nunmehr steht fest, dass der 35-jährige Pilot dabei in der Dämmerung beim Blick durch eine Nachtsicht-Bildverstärkerbrille die Orientierung verloren hatte und aus dem Gleichgewicht geraten war. Der Absturz forderte drei Schwerverletzte. Doch für die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) steckt der eigentliche Fehler im System.

Die Experten rügen die Verantwortlichen der Polizei-Hubschrauberstaffel für „fehlende Verfahrensbeschreibungen im Flugbetriebs-Handbuch in Bezug auf die häufig vorkommende Personensuche bei Nacht“. Es fehlten „klare Aufgabenverteilungen“ und „standardisierte Abläufe“. Ein Handbuch über das schwierige Fliegen mit den Nachtsichtbrillen sei zum Unfallzeitpunkt erst in Bearbeitung gewesen – und auch im Entwurf „nicht umfassend genug“.

Das Grundproblem dabei sei, so BFU-Experte Axel Rokohl, „dass viele Auflagen, die der private und gewerbliche Flugverkehr erfüllen muss, für die Polizei nicht gelten“. Das Luftverkehrsgesetz sieht Ausnahmeregelungen vor, für die Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Ausnahme ist indes die Regel. Mit immer wieder schwer wiegenden Folgen.

Eine Kontrolle von außen gibt es nicht

Die BFU beklagt, dass bei Flugunfällen mit Polizeihubschraubern im Bundesgebiet „mehrfach Verfahrens- und Organisationsmängel festgestellt“ worden seien – ohne dass dies zu Konsequenzen geführt hätte. Noch immer nicht erfüllt sei die Sicherheitsempfehlung der Unfallbehörde nach dem Absturz eines Polizeihubschraubers im Januar 2010 in Hannover.: „Das Bundesverkehrsministerium sollte für alle Polizeihubschrauber-Staffeln des Bundes und der Länder ein unabhängiges Kontrollgremium schaffen, das die Qualität, Sicherheit und Standardisierung des Flugbetriebs regelmäßig kontrolliert.“

Mit anderen Worten: Eine Kontrolle von außen gibt es nicht. Was beispielsweise für die Bahn AG das Eisenbahn-Bundesamt ist, für die Lufthansa oder zivile gewerbliche Hubschrauber das Luftfahrt-Bundesamt – das fehlt bei der Polizei. Sonst wären womöglich „unzureichende Verfahren für die Personensuche bei Nacht“ frühzeitig aufgefallen, kritisiert die BFU.

Wie sind die Aufgaben im Cockpit verteilt? Was tun beim Wechsel vom Tag- auf Nachtflug? Was tun bei Notsituationen beim Flug mit Nachflugbrillen? Keine Angaben dazu in der Flugbetriebsanweisung, so die BFU. Im Fall des Polizeihubschraubers „Bussard 807“ war der Umgang mit den Nachtsicht-Bildverstärkerbrillen das zentrale Problem. Der 35-jährige Pilot war bei Tageshelligkeit vom Stuttgarter Flughafen losgeflogen, dann setzte während des Einsatzes die Dämmerung ein. Das Fliegen mit der Nachtsichtbrille, die wie ein Fernglas vor den Augen des Piloten am Helm montiert ist, gilt als besonders schwierig, weil die Sicht stark eingeschränkt ist. Bei der räumlichen Orientierung ist die Teamarbeit der Besatzung besonders wichtig. Der 44-jährige Flugtechniker war indes auf die Suche nach der vermissten 77-Jährigen konzentriert, eine 25-jährige Polizistin mit einer Wärmebildkamera beschäftigt.

Mindestens 30 Minuten vor Beginn der Nachtzeit muss der Pilot landen

Niemand bemerkte, dass der Hubschrauber an Höhe verlor und leicht rückwärts flog. Als der Flugtechniker plötzlich aufmerksam wurde, war es schon zu spät. „Du Obacht du, wir stürzen ab, wir stürzen ab, wir stürzen ab, du“ , rief er – und der Pilot versuchte noch, den Hubschrauber abzufangen und Tempo aufzunehmen. Doch schon Sekunden später stürzte die Maschine in den Wald. Die drei Besatzungsmitglieder erlitten dabei schwere Verletzungen.

Seither gibt es bei der Polizeihubschrauber-Staffel des Landes eine Anweisung: Mindestens 30 Minuten vor Beginn der Nachtzeit muss der Pilot landen, „um dann bei sicher am Boden stehendem Hubschrauber die Bildverstärker-Brillen am Helm zu montieren“. Außerdem wurden standardisierte Abläufe zum Flug mit den Nachtsichtbrillen formuliert.

Auch ein neues Flugbetriebshandbuch ist verfasst worden – wobei sich der Inhalt diesmal an die Richtlinien für die „gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen in Hubschraubern“ anlehnt. Intern sei das Werk den Beamten bereits vorgestellt worden, erklärt Peter Zaar vom Stuttgarter Regierungspräsidium, das für die Polizeihubschrauber-Staffel mit 63 Mitarbeitern verantwortlich ist. Die neuen Bestimmungen sollen „dieser Tage im Oktober“ in Kraft gesetzt werden.