„So ein Sauhund!“ Die Dorfbewohner von Rietenau sind erbost über den skrupellosen Bauer August Wiedmann, der ein Auge auf die Sägemühle geworfen hat. Foto: Frank Eppler

Kriegstraumata, die Folgen der Spanischen Grippe, krasse Inflation: „Goldgrube“ von Lea Butsch dreht sich um eine schwierige Zeit, um Habgier und Dorfgeheimnisse. Das Theater Rietenau spielt es Ende Juli.

Eine aufgebrachte Menge steht im Reichenberger Weg in Rietenau und beschimpft einen Mann mit Hut, weißem Hemd und Weste: „Du Sack, du liadriger“, „Sauhund“, „Blutsauger“. Der so Beleidigte poltert zurück und greift zum Gewehr. Keine Frage – August Wiedmann weiß sich zu wehren, und er weiß, was er will: die Sägemühle im Ort. An Geld mangelt es dem reichen Landwirt nicht, trotzdem will er auf diese Goldgrube nicht verzichten. Schlecht für ihn, dass sein verstorbener Vater eine zweite, junge Frau geehelicht hat, die nun Erbin ist.

Das ist die Ausgangslage im neuen Stück „Goldgrube“, welches das Theater Rietenau Ende Juli an vier Abenden unter freiem Himmel spielt. Drei Vorstellungen sind schon ausverkauft – das ambitionierte Amateurtheater hat viele Fans, die Jahr für Jahr wiederkommen, obwohl dort nie leichte Kost serviert wird. Das gilt auch für die aktuelle Tragikomödie, deren Manuskript wieder einmal von Lea Butsch stammt.

Dorfgeheimnisse auf Schritt und Tritt

Sie lebt seit 1998 in Rietenau, dem Heimatdorf ihres Ehemanns Rolf. Das sind immerhin 25 Jahre, und trotzdem, sagt Lea Butsch, tappe sie als „Reigschmeckte“ immer wieder unwissentlich in Fettnäpfchen, stelle Fragen, die in der Dorfgemeinschaft tabu seien. Um Dörfer und ihre Geheimnisse geht es auch im Stück „Goldgrube“. Es ist bereits die 13. Produktion des Theaters Rietenau. Dieses haben Rolf und Lea Butsch, die viele Jahre die Wilde Bühne in Stuttgart geleitet haben, im Jahr 2011 aufgebaut. Historische Ereignisse spielen bei den Rietenauern stets eine wichtige Rolle – in diesem Jahr beamt Lea Butsch Publikum und Ensemble mal eben 100 Jahre zurück, in die 1920er Jahre.

„Das Stück spielt aber in der Phase, als die Goldenen Zwanziger noch nicht golden waren“, erklärt die Autorin. „Die Spanische Grippe ist gerade erst vorbei und hat weltweit mindestens doppelt so viele Menschen das Leben gekostet wie der Erste Weltkrieg.“ Neben Kriegstraumata und dem Verlust von Familienangehörigen plagt die Hyperinflation die Menschen, auch in Rietenau. Deshalb führt etwa der Totengräber Jakob, im Stück spielt ihn Rolf Butsch, seinen Job nur gegen Naturalien aus. „Es war eine beschissene Zeit“, so fasst es Lea Butsch in einem Satz zusammen, „das Dorf war damals schon sehr gebeutelt“.

Der Zigarettenfabrikant schickte seine Mitarbeiter zur Kur

Zwar brachten auswärtige Gäste etwas Geld ins Dorf, denn zu dieser Zeit durfte sich Rietenau dank seiner Mineralwasserquellen noch den Titel „Bad“ vor den Ortsnamen schreiben, erst im Jahr 1958 war Schluss damit. „Aber vom Badebetrieb haben damals nur wenige Einwohner profitiert“, erzählt Lea Butsch. In den 1920er Jahren habe beispielsweise der sehr sozial eingestellte Stuttgarter Unternehmer Emil Molt seine Arbeiterschaft zur Erholung ins Kurbad Rietenau geschickt. Molt war Inhaber der Zigarettenfabrik Waldorf Astoria und ein Mitbegründer der ersten Waldorfschule der Welt, die bis heute in Stuttgart-Ost existiert.

„Es ist kein richtiges Spaßstück, und Habgier ist ein ständiges Thema“, sagt Lea Butsch über ihr aktuelles Werk, das die Überschreitung moralischer Grenzen schildert. Der Tod persönlich hat auch seinen Auftritt. Er trägt einen Nadelstreifenanzug und wagt mit seinem Angestellten, dem Totengräber, ein Tänzchen.

Ein Liebespaar als Hoffnungsschimmer

Natürlich hat Lea Butsch auch Hoffnungsschimmer eingebaut. Zum Beispiel in Form eines jungen Liebespaars: eines Zimmermannsgesellen, der auf die Walz geht, und einer Hausangestellten, welche die Familie ihres Arbeitgebers zu einer Kur begleiten darf. Beide könnten bei ihrer Rückkehr frischen Wind in die Dorfgemeinschaft bringen, sagt Lea Butsch. Mit der Figur der Hausangestellten erinnert sie an ihre Schwiegermutter: „Sie war Hausmädchen bei einem Backnanger Lederfabrikanten.“

Trotz aller Tragik kommt der Humor nicht zu kurz, und wie bei früheren Aufführungen spielt auch Livemusik eine Rolle. Dieses Mal kommt sie von Cello, Gitarre und Akkordeon.

Theater unter dem freien Himmel

Vorstellungen
 Das Stück „Goldgrube“ des Theaterensembles Rietenau ist an vier Tagen Ende Juli zu sehen. Drei Vorstellungen sind aber bereits ausverkauft, für Donnerstag, 27. Juli, sind jedoch noch Karten erhältlich. Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr, Einlass ist bereits ab 18 Uhr. Eintrittskarten gibt es nur nach vorheriger Reservierung, sie kosten 15 Euro pro Person und sind erhältlich über die unten stehende Internetseite des Heimat- und Kulturvereins Rietenau.

Spielort
 Gespielt wird die Tragikomödie mit Musik in Aspach-Rietenau. Treffpunkt ist der Reichenberger Weg Ecke Badstraße neben dem ehemaligen Vorlo-Parkplatz.