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Gegner und Befürworter streiten um die Notwendigkeit des Stauseeprojekts Atdorf.

Atdorf - Der Streit um das Pumpspeicherwerk Atdorf dreht sich um den Standort, aber auch um eine energiepolitische Grundsatzfrage: Dienen solche Stauseen der Energiewende, oder taugen sie nicht zur Speicherung von Ökostrom? Der Runde Tisch sucht auch darauf eine Antwort.

Wer Atdorf als lokalen Schwarzwaldkonflikt auffasst, übersieht gleich mehrere Dimensionen des Milliardenprojekts. Zum einen wird bundesweit verfolgt, wie die Grünen aus dem Dilemma herauskommen, dass sie zwar Pumpspeicherwerke energiepolitisch befürworten, die damit verbundenen Eingriffe in die Natur aber ablehnen. Zum anderen dient der Streit als eine Blaupause für neue Formen der Bürgerbeteiligung: Seit 25. Juni sitzen Gegner und Befürworter an einem Runden Tisch.

Nicht zuletzt soll das Projekt im Hotzenwald aber auch die Frage mit beantworten, ob Deutschland die Energiewende schafft. Denn wenn immer mehr Wind- und Solarkraftwerke Strom produzieren, wächst auch die Notwendigkeit von Puffern: Riesigen Batterien gleich könnten Stauseen überschüssige Energie aufnehmen, um sie bei Bedarf in Sekundenschnelle abzurufen.

In der aktuellen Debatte dient dieses Argument als Rechtfertigung für Pumpspeicherwerke schlechthin. Doch stimmt es auch? Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat dies jüngst am Runden Tisch in Zweifel gezogen. Er vermutet hinter dieser Art von Energiespeicherung vielmehr einen Etikettenschwindel.

"Atdorf ist zur Speicherung von Strom aus Fotovoltaik oder Windkraft aus der Region gar nicht geeignet", sagt BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. Denn das geplante Pumpspeicherwerk werde auf der 380-Kilovolt-Ebene arbeiten, wie sich aus den Unterlagen ablesen lässt. Mit dieser Spannung werde zwar die Energie von großen Offshoreanlagen ins Netz eingespeist, nicht aber die von kleinen Windrädern: "Die arbeiten mit 20 oder 100 Kilovolt."

Fotovoltaik

Strom aus Fotovoltaik werde sogar nur mit 400 Volt eingespeist, sagt Jürgen Pritzel, Inhaber eines Ingenieurbüros und in vorderster Front der Projektgegner aktiv. Der so gewonnene Strom müsse also mehrfach hochtransformiert werden, um etwa ins 110-Kilovolt-Netz zu kommen. Lohnt sich das? Ist das überhaupt geplant? "Wir haben darüber keine Informationen", sagt Pritzel.

Und wie steht es mit Strom aus weiter entfernten Windkraftanlagen? "Es wurde nicht nachgewiesen, wie der Energietransport von den geplanten bzw. im Bau befindlichen Offshore-Windkraftwerken über etwa tausend Kilometer verlustarm und dadurch wirtschaftlich ohne Zwischenschaltung von anderen Kraftwerken bewerkstelligt werden soll", sagt Frieß.

Fazit: Ähnlich wie im Streit um Stuttgart 21 haben es die Bauherren auch beim Projekt Atdorf versäumt, Bedenken und Zweifel frühzeitig mit umfassender Information zu zerstreuen. Nicht nur der BUND kommt deshalb zum Schluss, in Atdorf solle Strom aus fossilen oder atomaren Großkraftwerken gespeichert werden, nicht aber Energie aus regenerativen Quellen. "Wenn das nur eine Veredelungsanlage für Kohlestrom wird, brauchen wir Atdorf nicht" meint auch André Baumann, Landeschef des Naturschutzbunds. Die Schluchseewerke als Bauherr, aber auch der Netzbetreiber weisen diese Unterstellung zurück. "Atdorf ist sehr wohl geeignet und auch erforderlich, um regenerativ erzeugte Energie zu speichern", sagt etwa Markus Linder von der Energiedienst Netze GmbH. Die Anbindung an das 380-Kilovolt-Netz sei dafür kein Hindernis. Es sei mittlerweile auch ein normaler Vorgang, dass Energie aus den Netzen mit mittlerer Spannung in die Hochspannungsnetze verschoben würde.

Doch ohne öffentlichen Faktencheck ist auch im Südschwarzwald der Karren nicht mehr flottzubekommen. Mit Spannung wird deshalb die dritte Sitzung des Runden Tisches am 20. September in Bad Säckingen erwartet: Dann sollen die energiepolitischen Grundsatzfragen auf den Tisch kommen.