Dank öffentlicher Regale kommen Leser an Bücher, die sie sich nicht leisten könnten. Foto: Judith A. Sägesser

Öffentliche Bücherregale sind in Stuttgart, anders als in vielen Städten Deutschlands, noch selten zu finden. Manche Stimmen wünschen sich mehr solcher Projekte für die großen und kleinen Leser in der Stadt.

S-West - Für Leseratten bieten öffentliche Bücherregale die Möglichkeit, bequem und kostenlos an ein Buch zu kommen. Der Bücherfreund muss nicht viel mehr tun, als die Augen aufzuhalten: An gut erreichbaren Standorten werden Regale mit Büchern aufgebaut, Telefonzellen oder Verteilerkästen für das literarische Gut umfunktioniert. In Stuttgart wird der Leser nicht so leicht fündig wie beispielsweise in Freiburg und Berlin. Aber ein paar Ableger dieser Idee finden sich auch hier. „Im Schwarzwaldraum, in Köln und in ganz Nordrhein-Westfalen sind sie gang und gäbe, wir in Stuttgart sind da hinterher“, sagt Marion Kadura. Sie ist Literaturreferentin beim Kulturamt der Stadt und würde mehr solcher Projekte begrüßen, weiß aber um die Schwierigkeiten der Realisierung: „Es braucht erst einmal jemanden, der alles in die Hand nimmt.“

Kindern zu einem eigenen Buch verhelfen

Im Stuttgarter Westen war das Maike Giedner, Geschäftsführerin der Naseweis-Buchhandlung. Vor mehr als zwei Jahren hat sie mit Hilfe einer Kundin sowie Studenten der Technischen Hochschule ein öffentliches Kinder-und Jugendregal am unteren Schlossgarten gebaut. Giedner sieht in diesem Projekt eine gute Gelegenheit, Kindern zu einem Buch zu verhelfen. „Viele kommen in meinen Laden, aber können oder dürfen sich nichts kaufen.“ Durch das Regal ändere sich dies. Mit Spenden von Kunden füllt sie das Regal wieder auf, denn es wird mehr mitgenommen als gebracht. Den Standort findet sie nicht ideal und sieht darin ein generelles Problem: „In Berlin gibt es sowas an jeder Ecke. Hier ist es ein riesiges Hin und Her, wenn es um einen passenden Standort geht.“

Ein Antrag der Freien Wähler liegt vor

Das Thema beschäftigt mittlerweile auch die Freien Wähler. Im September haben diese einen Antrag bei der Stadt eingereicht, um mehr über die Erfahrungen mit solchen Angeboten in Stuttgart zu hören. „Uns hat das Interesse am Lesen und am Buch selbst darauf gebracht“, erklärt Michael Schrade. Er ist Leiter der Geschäftsstelle der Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler. Schrade kennt das Prinzip schon lange und würde auch selber einen Blick in den Schrank werfen, wenn es denn einen in seiner Nähe geben würde. „Man könnte auch diese Büchergeschenke, die man gar nicht wollte, dort hinbringen und damit anderen eine Freude machen.“

Eine Ergänzung zu den üblichen Büchereien

Im Gegensatz zu herkömmlichen Bibliotheken gibt es keine Laufzeiten. Der Leser kann das Buch so lange behalten, wie er will. Keine Mahngebühren, keine Öffnungszeiten, die eingehalten werden müssen. „Die Regale sollen und können auch keine Konkurrenz zu Büchereien darstellen, sie wären aber eine nette Ergänzung“, sagt Schrade. Die Regale können nur eine kleine Auswahl anbieten, der Suchende muss also etwas Flexibilität mitbringen. „Es ist wie beim Schlendern in der Stadt: Man sieht zufällig etwas und kauft es, nur dass man hier nichts zahlen muss“, sagt die Literaturreferentin Marion Kadura.

Es gibt mehrere Anlaufstellen für diese Projekte

Für Menschen, die ein Regal eröffnen wollen, hält sie den Tipp bereit: „Der Bezirksvorsteher weiß meistens am besten Bescheid und kann sagen, ob sich so etwas in einem Gebiet verwirklichen lässt. Der Gemeinderat kann auch über diese Anliegen entscheiden. Es liegt auch immer viel an der Person mit der Bestimmungsgewalt in dem jeweiligen Stadtteil“, sagt Kadura. Im Stadtkern sehe es schon wieder anders aus. Dort sei das Amt für öffentliche Ordnung zuständig.