Winfried Kretschmann wurde als Kandidat für Landtagswahl nominiert Foto: dpa

Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist am Donnerstagabend von der Grünen-Basis in seinem langjährigen Wahlkreis Nürtingen als Kandidat für die Landtagswahl 2016 aufgestellt worden. Die Wahl erfolgte ohne Gegenstimmen bei zwei Enthaltungen.

Nürtingen - „Winfried, Du hast das Wort“, sagt der Versammlungsleiter zum Kandidaten, den jeder hier persönlich kennt. Winfried, das ist der Ministerpräsident, doch in der Nürtinger Stadthalle ist er erst mal nur Bewerber für die Landtagskandidatur der Grünen im Wahlkreis Nürtingen. Kretschmann hat seine bequemen Gesundheitsschuhe angezogen, es geht familiär zu im kleinen Saal, und das große Medienaufgebot will dazu nicht so richtig passen.

Umweltminister Franz Untersteller hat zu Hause eigens seinen Mitgliedsausweis aus der Schublade gekramt, um nachzuweisen, dass er hier wohnt und somit wählen darf. Kretschmann selbst darf das nicht, denn er lebt seit Jahrzehnten in Sigmaringen. Den Wahlkreis Nürtingen vertritt er seit jener Zeit, als er mit seiner Familie noch in Leinfelden-Echterdingen lebte. Dort ist er auch noch gemeldet im Ortsverein.

Winfried hat also das Wort und teilt erst einmal sein Gewicht mit: „Ich halte zwischen 95 und 99 Kilo.“ Das weiß er deshalb, weil in der Stadthalle immer das Silvesterwiegen stattfindet, und daran nimmt er stets teil. 20 Minuten hat er eigentlich, um sich vorzustellen. Doch weil es keinen Gegenkandidaten gibt, werden es doppelt so viele. Aber niemand beschwert sich. Schließlich erhalten die alten Weggefährten – man sieht viel graues Haar – eine kleine Regierungserklärung.

Baden-Württemberg befindet sich in guter Verfassung“, hebt er an und lobt die starken Kommunen, die engagierten Bürger und die innovative Wirtschaft. Und natürlich seine Regierung. Gerade in der Wirtschaftspolitik hätten die Grünen sich am meisten Respekt erworben, dort, „wo es gar niemand erwartet hätte“, sagt Kretschmann.

Dann legt er dar, warum es so wichtig sei, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Er redet frei und er redet engagiert – nein, das ist kein Routineauftritt, den man abspult. Kretschmann ist schon zu lange bei den Grünen, als dass er diesen Fehler begehen würde – der kann nämlich ins Auge gehen.

Ab und zu schweift er philosophisch ab („der Mensch ist schwer zufriedenzustellen“), ruft sich dann aber selbst zur Ordnung. Er lobt auch viel, vor allem seinen Verkehrsminister Winfried Hermann, verweist dann auf die guten Umfragewerte und streut bisweilen ein paar Bonmots ein („ich war nicht immer so beliebt bei den Grünen wie zurzeit“). Die Parteifreunde lachen, quittieren seine Rede bisweilen mit Beifall, aber nicht häufig. Erst am Schluss stehen sie auf und applaudieren lang.

Gibt es Fragen? Nein, aber ein Lob. Ein Graubart spricht das Interview einer Wochenzeitung mit Kretschmann an und sagt: „Winfried, so bist Du einfach klasse.“ Ein Mitglied stellt dann doch noch eine Frage, erkundigt sich nach Zuschüssen für die örtliche Hochschule – woraufhin Kretschmann mahnt, er dürfe als Regierungschef seinen Wahlkreis nicht bevorzugen („was meint Ihr, was da los wäre!“), will die Sache aber im Blick behalten.

So schreiten die Grünen denn zur Wahl, von 39 abgegebenen Stimmen entfallen 37 auf ihn, zwei sind Enthaltungen. Vor fünf Jahren waren es noch 100 Prozentgewesen. Aber Kretschmann lächelt milde und sagt: „Ich nehme die Wahl an.“