Erdogans Veto hatte wohl auch innenpolitische Gründe. Das Bild zeigt den türkischen Präsidenten bei einem Wahlkampfauftritt. Foto: dpa/Khalil Hamra

Delegationen der Türkei, Schwedens und Finnlands treffen sich in Ankara, um Erdogans Blockade aufzulösen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg besucht den US-Präsidenten Joe Biden.

Die Entscheidung über die Aufhebung des türkischen Vetos gegen den Nato-Beitritt von Schweden rückt näher. Hochrangige Delegationen der Türkei, Schwedens und Finnlands beraten an diesem Mittwoch in Ankara über die Umsetzung einer Vereinbarung, die Finnland den Weg in die Allianz ebnete und auch den Beitritt Schwedens ermöglichen soll. Gespräche zwischen der Türkei und der Nato-Führungsmacht USA über die Lieferung von Kampfflugzeugen an Ankara könnten dazu beitragen, den Streit um Schwedens Beitritt beizulegen. Knapp einen Monat vor dem Nato-Gipfel in Litauen am 11. Juli, bei dem die Aufnahme Schwedens besiegelt werden soll, reiste Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Gesprächen mit US-Präsident Joe Biden nach Washington.

Terror ist das Argument für das Veto

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich voriges Jahr geweigert, der Nato-Norderweiterung zum Schutz von Finnland und Schweden gegen Russland zuzustimmen und den beiden Nordländern vorgeworfen, Terroristen Unterschlupf zu gewähren. Eine Abmachung der drei Staaten verpflichtete Finnland und Schweden damals, entschlossener gegen Mitglieder der kurdischen Terrororganisation PKK auf ihren Staatsgebieten vorzugehen. Im März ratifizierte die Türkei den Antrag Finnlands, erklärte aber, Schweden müsse mehr tun, um die Forderungen Ankaras zu erfüllen.

Stockholm setzte deshalb am 1. Juni ein neues Antiterrorgesetz in Kraft. Kurz vor dem Treffen in Ankara an diesem Mittwoch teilte die schwedische Regierung mit, ein türkischer Staatsbürger, der sich als PKK-Anhänger bezeichnet, werde an die Türkei ausgeliefert. Der Mann war in der Türkei wegen Drogenhandels verurteilt worden. Ein weiterer türkischer Staatsbürger soll wegen des Verdachts der Geldbeschaffung für die PKK vor Gericht gestellt werden; es ist die Anklage dieser Art in Schweden.

Ob dies ausreicht, um Erdogan zu überzeugen, ist unklar. Erdogans neuer Außenminister Hakan Fidan, der im vorigen Jahr als damaliger Geheimdienstchef maßgeblich an der Vereinbarung mit Schweden und Finnland beteiligt war, sagte seinem schwedischen Amtskollegen Tobias Billström vorige Woche, Stockholm müsse konkrete Schritte vorzeigen können.

Der Nato-Streit ist das erste wichtige Thema für Fidan und den Erdogan-Berater Akif Cagatay Kilic auf ihren neuen Posten; der in Deutschland geborene Kilic, der das Treffen am Mittwoch in Ankara leiten wird, übernahm den Posten des Präsidentensprechers und außenpolitischen Chefberaters nach Erdogans Wahlsieg vom 28. Mai.

Biden sagt Erdogan Unterstützung zu

Auch Erdogan ist an den Gesprächen beteiligt. Bei einem Telefonat mit Biden vor zwei Wochen sprach er mit dem US-Präsidenten über eine mögliche Lösung: Wenn die Türkei Schwedens Antrag zustimmt, will sich Biden nach Medienberichten im US-Kongress für die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen an die Türkei einsetzen. Im Kongress gibt es wegen des Verhaltens der Türkei in der Nato Widerstand. Stoltenberg wollte noch am Dienstag mit Biden sprechen.

Der Generalsekretär sagte vor zehn Tagen bei einem Besuch in der Türkei, Stockholm habe bedeutende Zugeständnisse an die Türkei gemacht. Die schwedische Regierung rechnet offenbar mit baldigem grünen Licht aus Ankara und erlaubt bereits die vorübergehende Stationierung von Nato-Truppen auf ihrem offiziell neutralen Staatsgebiet.

Ein wichtiger Grund für den Optimismus ist der Eindruck bei westlichen Politikern, dass Erdogans Veto vor allem innenpolitisch motiviert war: Der Präsident wollte demnach vor den Wahlen im Mai nationalistische Wähler beeindrucken, indem er auf seinen Bedingungen beharrte. Nun, da die Wahlen vorbei seien, wachse die Zuversicht, dass Erdogan zustimme, zitierte die „New York Times“ einen hochrangigen Nato-Diplomaten. Die Nato erwartet demnach, dass Ungarn, das Schweden ebenfalls blockiert, sein Veto aufhebt, wenn die Türkei den schwedischen Antrag ratifiziert.