In dem amerikanischen Science-Fiction-Film „Die phantastische Reise“ (1966) lässt sich eine Gruppe von Wissenschaftlern samt U-Boot auf Nano-Größe verkleinern und in die Blutbahn eines tschechischen Wissenschaftlers injizieren, um so eine lebensrettende Gehirn-OP vornehmen zu können. Foto: 20th Century Fox

Einen Aufzug und ein Auto in Nanoformat. Das haben die Chemie-Nobelpreisträger 2016 geschaffen. Die Maschinen sollen künftig in der Medizin und der Materialforschung eingesetzt werden.

Stockholm - Tablet-Computer tauchten zum ersten Mal in der Serie Star Trek auf, der Autor Ray Bradburyprophezeite in seinem 1953 erschienen Roman „Fahrenheit 451“ Flachbildschirme und wer 1914 H. G. Well’s „Befreite Welt“ gelesen hat, erhielt eine Vision der Atombombe. Science-Fiction-Autoren besitzen manchmal ein feines Näschen für zukünftige Entwicklungen. Einen solch hellsichtigen Moment hatten wohl auch Harry Kleiner und David Duncan, als sie das Drehbuch für den Film „Die phantastische Reise“ schrieben, der vor genau 60 Jahren in die Kinos kam: In diesem lässt sich eine Gruppe von Forschern samt U-Boot auf Nano-Größe verkleinern und in die Blutbahn eines aus dem Ostblock übergelaufenen tschechischen Wissenschaftlers injizieren. Das Ziel: In dessen Gehirn eine lebensrettende Operation vorzunehmen.

Dass sich Menschen auf Nanogröße schrumpfen lassen können, bleibt Fiktion. Aber zumindest das passende Fortbewegungsmittel ist schon in Arbeit: So vermeldeten 2011 die Fachzeitschriften den Bau des kleinsten Elektroautos der Welt. Insgesamt misst es nur wenige Nanometer – genauer: knapp vier mal zwei Millionstel Millimeter und damit mehr als tausendfach kleiner als der Durchmesser eines Haares.

Das Nano-Auto hat sogar Vierradantrieb

Aufgebaut ist das winzige Vehikel, das damals Forscher von der niederländischen Universität Groningen gemeinsam mit Schweizer Materialforschern aus Zürich entwickelt haben, aus einem länglichen Molekül, das das Fahrgestell darstellt. An diese sind vier paddelähnliche Moleküle gekoppelt, die die Rolle der Räder inklusive der Motoren übernehmen. So kommt das winzige Gefährt – sozusagen per Vierradantrieb – mit einer Geschwindigkeit von knapp einem Nanometer pro Umdrehung voran.

Die Grundlage für diese Gefährt lieferten nacheinander drei Molekülforscher, Jean-Pierre Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard Feringa, die unabhängig voneinander nach winzigen Maschinen auf Molekülbasis geforscht haben – und dafür mit dem Nobelpreis Chemie 2016 ausgezeichnet werden. Das gab am Mittwoch die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt.

Der nano-Motor befindet sich heute im selben Stadium wie der Elektromotor im Jahr 1830

„Die Preisträger haben extrem kleine Maschinen gebaut und sind in eine neue Dimension der Chemie vorgedrungen“, hieß es von den Juroren. „Sie haben Moleküle entwickelt, deren Bewegungen man kontrollieren kann und die eine Aufgabe erfüllen, wenn sie die dafür nötige Energie bekommen.“ Der molekulare Motor befinde sich somit in demselben Stadium wie der elektrische Motor in den 1830er Jahren. Damals hätten Forscher verschiedene Kurbeln und Räder entwickelt, „ohne zu wissen, dass dies zu elektrischen Zügen, zur Waschmaschine, zu Ventilatoren und zu Mixern führen würde“.

Den ersten Schritt machte der 1944 geborene Franzose Jean-Pierre Sauvage von der Universität Straßburg im Jahr 1983: Er baute aus Atomen zwei Ringe, die wie Kettenglieder zusammenhängen. Der gebürtige Brite James Fraser Stoddart, 74, von der Northwestern University in Evanston, USA, entwickelte 1991 molekulare Achsen und zugehörige Ringe, die darauf auf und absteigen können – sogenannte Rotaxane. Der Niederländer Feringa, 65, von der Universität Groningen hat als erster einen molekularen Motor gebaut, der sich kontinuierlich in eine Richtung drehte.

Nanomaschinen können in der Medizin und der Computertechnologie zum Einsatz kommen

Noch ist das Auto in der Medizin nicht wirklich zu gebrauchen. Forscher sehen das Modell eher als Vorstufe zur Entwicklung von Nanomaschinen, die einmal auf der Basis von Molekülen Arbeit verrichten können: Krebszellen bekämpfen oder Medikamente in die Blutbahn des Körpers an Ort und Stelle zu transportieren. Durch die Forschungen der Nobelpreisträger sind wiederum andere Forscher inspiriert worden, darauf aufbauend weiter entwickelte Molekular-Maschinen zu bauen, darunter 2013 ein Roboter, der Aminosäuren ergreifen und verbinden kann. Die Arbeit könnte nach Einschätzung des Nobelpreis-Komitees auch die Computertechnologie revolutionieren. Stoddart hat bereits einen molekülbasierten Computerchip mit einem Speicher von 20 Kilobyte entwickelt. Darüber hinaus könnte ihre Forschung dazu beitragen, eine neue Sorte von Batterien zu entwickeln.

Der Traum von einer fantastisch anmutenden Reise durch den menschlichen Körper braucht noch etwas Zeit. Immerhin: Ein großes Problem im Film haben heutige Forscher schon elegant umschifft: Das der Entsorgung. Das anorganische U-Boot aus schnödem Metall wird in dem Film nach erfolgreich beendeter Mission einfach im Körper des tschechischen Forscher zurückgelassen. Zu der Frage, was damit dann geschah, schreibt Frederik Pohl (Science Fiction Studies in Film), dass die Produzenten hofften, das Publikum sei nicht klug genug, sich nach dem Verbleib zu erkundigen. Später wurde von den Produzenten die Erklärung angeboten, dass das U-Boot von den Antikörpern schließlich restlos vernichtet worden sei.