Spezialisten für Zeitgenössisches: Die Neuen Vocalsolisten Stuttgart. Foto: Martin Sigmund

„Südseite nachts“: Neue Klänge mit den Ensembles Ascolta und Neue Vocalsolisten Stuttgart.

Stuttgart - Wie klingt Asien heute? Für das erste von zwei Freitagskonzerten der Konzertreihe „Südseite nachts“ von Musik der Jahrhunderte hatte das Ensemble Ascolta neue Musik aus dem ostasiatischen Raum angekündigt, und so mag mancher Zuhörer unweigerlich nach Verbindendem zwischen den 2013 uraufgeführten Ensemblestücken junger Komponisten gesucht haben.

Viel Stille wird er dabei entdeckt haben: Stille und Statik, ein sehr besonderes Interesse an Klangfarben, an hierzulande eher peripher behandelten Qualitäten wie Schönheit und Ebenmaß, manchmal etwas Kreisendes oder auch ein wenig Ganztonmusik (Pentatonik), außerdem etwas Unverstelltes, manchmal auch ein wenig Unbedarftes. Jenseits dieser Gemeinsamkeiten waren allerdings deutliche Unterschiede auszumachen.

Zum Feld des fernöstlich getönten Neuen zählt im weitesten Sinne auch „Not reconciled“ des in den USA geborenen Ming Tsao: aus leisen Geräuschen entstehend, das Neben- in ein Miteinander führend; zuweilen klingt das Stück wie die Unterhaltung von fünf heiseren Menschen, zuweilen wie eine Versuchsreihe darüber, wie lange noch etwas zu hören ist, wenn man den Klang von Klarinette, Posaune, Gitarre, Cello und Trommel immer stärker reduziert.

„A Play“ des 1991 in Schanghai geborenen Xu Weiwei ist ein hochenergetischer, rhythmisch fein ausgearbeiteter Pas de deux von Klavier und Schlagzeug – eher Ausdrucks- als Spitzentanz. In Chun Tin Pangs „Vocalize The Voicelessness“ steigert sich die Intensität des Spiels so sehr, dass es sogar logisch wirkt, wenn dem Cellisten mit großer Wirkung eine Saite reißt, und Chow Yun Jans „Introspection“ entwickelt sich vom Geräusch über das Singen bis hin zum Schrei. Die Musiker des Ensembles Ascolta spielen mit Präzision, großer Souveränität und mit Hingabe.

Dasselbe ist auch über den Auftritt der in nur fünfköpfiger Besetzung angetretenen Neuen Vocalsolisten im zweiten Konzert des Abends zu sagen, das ebenfalls sehr meditativ, sehr klangorientiert und sehr poetisch daherkam. Zwei Stücke aus Giacinto Scelsis „Tre canti populari“ kreisten zwischen Natur- und Kunststimme, Gestalten und Loslassen, Tönen und ihrem mikrotonalen Umfeld, freiem Fließen und madrigalisch anmutenden strengen Parallelführungen.

Anna Korsuns „Landscapes“ wandert durch wechselnde Klang- und Geräuschlandschaften, bis am Ende ein scharfer Wind durch die Ritzen einer Berghütte zu pfeifen scheint, und die Australierin Catherine Milliken findet in „Picassos Words“ virtuose, zuweilen witzig klingende Entsprechungen für gemalte Farbe, Fläche, Gestalt und Pinselstrich in der bildenden Kunst, und das Stück betritt genau jenen Grenzbereich zwischen Konzert und Theater, in dem sich das Ensemble derart zu Hause fühlt, dass es dem Publikum automatisch ebenso geht.