Gefäßstütze (Stent) Foto: BVMed

Neue Medizinprodukte sind mit Vorsicht zu genießen. Oft sind Patienten nicht gut genug aufgeklärt. Aber das soll sich nun ändern.

Heidelberg - Immer wieder sorgen Medizinprodukte für Negativschlagzeilen. Man denke an die Skandale um Brustimplantate aus Industriesilikon und Hüftprothesen, die giftige Schwermetalle freisetzen. Stets waren Patienten die Leidtragenden. An der Tatsache, dass neue Produkte oft nur unzureichend wissenschaftlich geprüft sind, hat sich seither nichts geändert. Das ist der Skandal nach den Skandalen.

Europäisches und deutsches Recht machen es den Herstellern nach wie vor leicht, ihre Innovationen in Sachen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden an die Patienten zu bringen. Es genügt eine CE-Kennzeichnung durch staatlich zugelassene Prüfstellen, von denen es EU-weit circa 80 gibt. Tüv und Dekra gehören dazu.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Baden-Württemberg (MDK) weist nun in einem Gutachten im Auftrag der Techniker-Krankenkasse (TK) explizit auf die Risiken hin, die neue Medizinprodukte mit sich bringen können. Darin wird der Fall eines Herzpatienten geschildert, dem Ärzte einen sogenannten Mitraclip aufschwatzen. Der Clip wird per Katheter eingesetzt und funktioniert wie eine Wäscheklammer. Er soll dafür sorgen, dass die nicht mehr richtig schließende Herzklappe, die Mitralklappe, wieder dicht hält.

Auch der dritte Mitraclip versagt

Dem Patienten wird der Eingriff als besonders schonend verkauft, da er ihm eine Herz-OP erspare. Niemand sagt ihm, dass die operative Wiederherstellung der Herzklappe ein lange erprobtes Standardverfahren ist, das ihn heilen kann. Das wird ihm erst bewusst, als auch der dritte Clip versagt und die betroffene Klappe so geschädigt ist, dass er einen künstlichen Ersatz braucht.

Der MDK zieht aus dem Fall eine Reihe von Schlüssen, um neue Medizinprodukte sicherer einführen zu können. Auf dieser Basis hat die TK gemeinsam mit dem Uniklinikum Heidelberg eine „Qualitätsoffensive“ erarbeitet, die am Mittwoch in Heidelberg vorgestellt wurde. Kernstück ist eine überarbeitete Patientenaufklärung, die stärker auf mögliche Nachteile durch ein neues Produkt abhebt und darauf hinweist, dass etwa ein neuer Stent (Gefäßstütze) auf längere Sicht schlechter abschneiden könnte als ein bewährtes Implantat.

„Die neuen Aufklärungsbögen enthalten alle wichtigen Punkte zum Medizinprodukt und eignen sich auch gut als Checkliste für das Arzt-Patienten-Gespräch. So kann der Arzt eine standardisierte Aufklärung gewährleisten“, so Markus Thalheimer, Leiter Qualitätsmanagement am Uniklinikum. Das Aufklärungsmaterial soll auch anderen Kliniken zur Verfügung gestellt werden.

Geplant ist zudem für die nächsten Jahre der Aufbau von Patientenregistern. Möglichst viele Patienten, die ein Medizinprodukt erhalten, sollen in klinikübergreifende Register bei den medizinischen Fachgesellschaften eingetragen werden. Durch Auswertung der Daten kann dann geklärt werden, ob und wie die Produkte sich bewähren und Patienten wirklich profitieren.