Foto: Lars Petersen

Sarah Sophia Meyer (25) war eine nachdenkliche globalisierungskritische Studentin in "Nachtasyl Stuttgart". Jetzt konzentriert sich die Schauspielerin auf Tschechows "Kirschgarten".

Stuttgart - Sarah Sophia Meyer (25) war eine nachdenkliche globalisierungskritische Studentin in "Nachtasyl Stuttgart". Jetzt konzentriert sich die Schauspielerin auf Tschechows "Kirschgarten".

Etwas eigenartig Verhaltenes zeigte sich in ihrem Blick. Diese Studentin war keine verbohrte Eiferin, bei allen auch naiven Weltverbessereien, die ihr so einfielen. Man bemerkte einen Restzweifel, ein innerliches Nachhallen und Befragen dessen, was sie in Volker Löschs Gorki-Bearbeitung "Nachtasyl Stuttgart" über Marx, über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sagte.

Oft beklagt man die Typbesetzung im Film wie im Theater. Sarah Sophia Meyer in dieser Rolle zeigt: Es geht auch anders, und es funktioniert. Wenngleich die Arbeit, in der die Schauspieler immer wieder eine Wand hinaufhangeln und wieder hinunterspringen, eine sportliche Herausforderung gewesen sein dürfte. "Das waren anstrengende Proben, auch körperlich. Bis zur Premiere waren wir auf jeden Fall alle schön fit", sagt Sarah Sophia Meyer.

Etwas Verwehtes, Versponnenes, auch Widerständiges ist ihr eigen; noch während ihrer Zeit an der Schauspielschule spielte die junge Frau mit dem hellen Sommersprossenteint bei Christian Stückl im Münchner Volkstheater die Solveig in "Peer Gynt". Und um bei Henrik Ibsen zu bleiben, ist sie eher eine zarte Frau vom Meer als eine herrische Hedda Gabler.

Sehr leise tritt sie auf, sie schweigt länger, bis sie zum Beispiel erklärt, warum sie - wenn sie gerade nicht arbeitet - gerne die Bücher von Haruki Murakami liest: weil sie dessen Fantasie schätzt und die Zwischenwelten, die sich bei ihm auftun. Auch bei der Arbeit stellt man sie sich zurückhaltend vor. Dass sie bei einer ersten Leseprobe munter drauflosplappert? Sie lächelt und sagt: "Na ja, ich beobachte erst einmal, ich bin eher zurückhaltend und nicht der Typ, der gleich eine Interpretation parat hat."

Auch als Zuschauerin will sie nicht mit Botschaften und Deutungen überfallen werden. "Wenn ich Theater schaue, mag ich es, wenn man mir etwas erzählt, aber nicht zu viel. Es muss sich Fantasie bei mir auftun, ich möchte selber etwas entdecken."

Sarah Sophia Meyer hat soeben die Schauspielausbildung an der Münchner Otto-Falkenburg-Schule beendet, an den Kammerspielen während der Ausbildung schon in einigen Produktionen mitgespielt und jetzt in Stuttgart ihr erstes Engagement angetreten. Sie sagt klar, was ihr an der Arbeit grundsätzlich missfällt: Regisseure ohne Idee. "Ohne eine Vorstellung, wie der Abend werden soll, sich als junger Schauspieler einzubringen ist schwierig." Theater ist eine Gemeinschaftsarbeit - und im besten Fall ein kleines Wunder. "Es fasziniert mich, dass Menschen zusammenkommen, wie ein Stück, ein Abend entsteht. Man hat einen Text und sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Die Leseprobe beginnt, man geht auf die Bühne und probt, und bei der Premiere bemerkt man, man hat gemeinsam etwas entstehen lassen."

Wenn es funktioniert, kommt sie gern ins Staunen. "Ästhetik ist mir wichtig, ich schätze Bilder, die etwas in Gang setzen, wie bei Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Tschechows ,Drei Schwestern' zum Beispiel."

Die junge Frau aus St. Gallen kommt aus einer musikalischen Familie, sie hat Cello gespielt und Gesangsunterricht genommen; man hört es, ihr Ton ist weich und rund und doch klar, und in "Nachtasyl Stuttgart" hat sie gezeigt, dass er auch sehr scharf werden kann. Ihre erste prägende Bühnenerfahrung war "König Arthur" während eines Sommeropernfestivals, sie sang zuerst im Chor und bekam dann eine kleine Rolle, erzählt sie. Es machte Spaß. Also lieber spielen als singen? "Als ich mir vorgestellt habe, dass ich als Opernsängerin auf der Bühne stehe, habe ich gemerkt, das bin ich nicht, das kann ich mir nicht vorstellen."

Und die Musik bleibt ja. "Ich mag musikalische Inszenierungen, eine Klarheit, die ohne viel Zirkus auskommt." Was die Musikalität betrifft, wird sie sich in der aktuellen Produktion mit dem Regisseur treffen. Michael Thalheimer, der Anton Tschechows "Kirschgarten" inszeniert, hat Schlagzeug gelernt, er arbeitet seit Jahren regelmäßig mit dem Musiker Bert Wrede zusammen.

Und ja, sie strahlt, wenn sie über die Proben spricht. Sie spielt Anja, die Tochter der Gutsbesitzerin Raneswkaja, und sie schwärmt von dem Dramatiker. "Es sind unglaublich anrührende Figuren, Tschechow hat sie so genau analysiert." Dass vor der ersten Bühnenprobe ausführlich über die Figuren und ihre Biografie gesprochen wurde, hat ihr gefallen. "Die Arbeit geht sehr über den Text. Ich finde es gut, die Beziehungen der Figuren untereinander zu untersuchen, viel über die Lektüre zu klären. Die Stimmung bei den Proben ist schön, konzentriert." Das Ergebnis der Arbeit kann man an diesem Samstag im Schauspielhaus sehen, um 19.30 Uhr ist Premiere.