Die Regierung sieht Handlungsbedarf: Das Rentenniveau fällt nach dem Jahr 2030 stärker als bisher bekannt. Foto: dpa

Schlechte Aussichten bei der Rente: Leistungen sinken, Beiträge steigen. Das Bundessozialministerium legt erstmals Prognose für die Zeit nach 2030 vor:

Berlin - Dass sich die heutigen Beschäftigten auf ein niedrigeres Rentenniveau einstellen müssen, hat sich herumgesprochen. Die neuesten Daten der Bundesregierung zeigen nun aber, dass die langfristige Entwicklung der gesetzlichen Alterssicherung alarmierend ist. Bisher haben sich Regierungen immer davor gedrückt, Rentenprognosen über das Jahr 2030 hinaus abzugeben. Erstmals legt das Bundessozialministerium jetzt Berechnungen zur Rentenentwicklung bis 2045 vor. Daraus geht hervor, dass das Rentenniveau zwischen 2030 und 2035 unter die bisher geltende Untergrenze von 43 Prozent vom Bruttolohn (Sozialbeiträge sind abgezogen) fällt. Das ist ein folgenreiches Eingeständnis. Denn seit der rot-grünen Rentenreform aus dem Jahr 2000 hat die Politik Beschäftigten und Ruheständlern ein langfristiges Sicherungsniveau von 43 Prozent versprochen. Bisher orientierten sich die Regierungen immer am Zeitraum bis 2030, was in der langfristig ausgerichteten Rentenpolitik eine kurze Phase ist. Immerhin richtet die große Koalition nun den Blick darüber hinaus. Bis 2045 sinkt das Rentenniveau laut aktueller Prognose auf 41,6 Prozent vom Bruttolohn. Die Zahlen sind erschreckend, denn heute liegt das Rentenniveau noch bei 47,8 Prozent des Bruttolohns. Dieser Wert wird in den nächsten 15 Jahren stark abschmelzen. Heutige Arbeitnehmer können im Vergleich zum Einkommen somit weniger Rente erwarten. Im Jahr 2000 lag das Rentenniveau sogar noch bei 53 Prozent.

Prognose soll für Klarheit sorgen

Die Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will mit der neuen Prognose Klarheit in die Diskussion bringen. Schon in den vergangenen Monaten war über ein starkes Abrutschen des Sicherungsniveaus spekuliert werden. Nun liegen die offiziellen Zahlen vor, die Teil des Rentenversicherungsberichts sind, der im Herbst vorgelegt wird. Nahles hatte bereits in den vergangenen Tagen angekündigt, dass sie Handlungsbedarf bei der gesetzlichen Rente sieht. Die Ministerin forderte eine Haltelinie beim Rentenniveau. Das bedeutet, dass ein Mindest-Rentenniveau festgelegt werden soll, das in den nächsten Jahrzehnten nicht unterschritten wird. darf. Wie groß der Handlungsdruck ist, zeigt die jetzige Prognose. Dabei handelt es sich zwar um eine abstrakte Größe, die wenig über die Rente des Einzelnen aussagt. Denn das Sicherungsniveau bezieht sich auf den sogenannten Eckrentner, der während des Arbeitslebens durchschnittlich verdient und 45 Beitragsjahre angesammelt hat. Auf diesem Eckrentner basieren die Berechnungen.

In der SPD, aber auch in der Union mehren sich die Stimmen, die Maßnahmen gegen das sinkende Rentenniveau fordern. Der rentenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, sagte unserer Zeitung: „Es ist dringend notwendig, ein Mindest-Rentenniveau für die Zeit nach 2030 festzuschreiben, weil ansonsten die Rentenversicherung für die junge Generation weniger leistungsfähig wird.“

Nahles legt ihr Konzept im November vor

Welche Schlussfolgerungen Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) aus den neuesten Zahlen zieht, will sie erst im November sagen. Dann wird sie ihr Rentenkonzept vorlegen. Absehbar ist jetzt schon, dass zu diesem Konzept eine höhere Förderung von Geringverdienern bei Betriebsrenten gehört. Doch das allein wird nicht ausreichen. Nach der Bundestagswahl soll nach den Plänen der SPD auch die gesetzliche Renten stabilisiert werden. Ähnliche Forderungen gibt es aus der Union.

Wie stark sich in der Rentenversicherung in den nächsten Jahrzehnten die demografischen Veränderungen auswirken, zeigt ein Blick auf die Beitragsentwicklung. Besteht das geltende Recht unverändert weiter, sinkt nicht nur das Rentenniveau drastisch. Auch die Beiträge schnellen in die Höhe. Während der Beitragssatz heute 18,7 Prozent beträgt, wird er bereits im Jahr 2031 die Marke von 22 Prozent übersteigen. Bis 2045 klettert der Beitrag sogar auf 23,4 Prozent, wenn die heutigen Regeln unverändert bleiben. Damit gerät ein weiterer Pfeiler ins Wanken. Denn zu den Eckpunkten der Rentenpolitik gehört bisher, dass der Beitragssatz bis 2030 nicht über 22 Prozent steigt. Auch dieses Ziel ist in langfristig in Gefahr. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt vor einer Überforderung für Beschäftigte und Arbeitgeber. Es müsse nicht nur beim Rentenniveau eine Haltelinie geben, sondern auch beim Beitragssatz, erklärte die BDA.

Viele Wünsche bei der Rente

Mit den aktuellen Prognosen will das Sozialministerium hohen Erwartungen entgegenwirken. Der CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatten im Frühjahr Hoffnungen geweckt, das Rentenniveau könne auf dem aktuellen Stand stabil gehalten werden. Dies würde nach Berechnungen des Ministeriums 40 Milliarden Euro jährlich kosten. Nahles Botschaft lautet: Das sei unbezahlbar.