Polizeiaufmarsch in Göppingen: Dort sollen die vier Angeklagten ihr Unwesen getrieben haben Foto: dpa

Der zweite Tag im Prozess gegen vier mutmaßliche Gründungsmitglieder der verbotenen Neonazi-Gruppierung Autonome Nationalisten (AN) Göppingen am Freitag ist geprägt von weiteren Anträgen der Verteidigung. Tenor: Das Verfahren müsse eingestellt werden.

Stuttgart - Zwei der vier Männer sollen aus der rechten Szene ausgestiegen sein. Der 23- und der 31-Jährige machen Angaben, wogegen ihre beiden Mitangeklagten, offenbar immer noch stramm rechtsextrem eingestellt, sowohl zu ihrer Person wie auch zu den Vorwürfen schweigen.

Der 23-jährige Daniel R., der einer der Initiatoren der 2009 gegründeten AN Göppingen sein soll, hatte sich in der Vergangenheit als Anmelder und Organisator von Aufmärschen im Raum Göppingen hervorgetan. Inzwischen befindet er sich in dem Aussteigerprogramm des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg mit Namen Big Rex, was für Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus steht.

Der Vater einer Tochter, der nach dreieinhalb Monaten U-Haft auf freien Fuß gesetzt wurde, ist nach eigener Aussage Repressalien ausgesetzt. Er werde trotz seines Ausstiegs aus der rechten Szene von antifaschistischen Aktionisten, sprich von der Antifa, bedrängt. Aber auch seine ehemaligen Gesinnungsgenossen von den Autonomen Nationalisten setzten ihm zu. „Mir wurden Prügel angedroht und ich werde als dreckiger Verräter beschimpft“, so der von Rechtsanwalt Hans Steffan vertretene Angeklagte. Auf einschlägigen Internetseiten der rechten Szene heißt er nur noch „Judas“. An einem der nächsten Prozesstage will Daniel R. zu den Vorwürfen Stellung nehmen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Männern die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Sie sollen mit gut einem Dutzend weiteren AN-Mitgliedern den Umsturz des demokratischen Systems als Ziel gehabt haben.

Die Verteidiger der beiden schweigsamen Angeklagten fordern, die Verfahren einzustellen. So argumentiert Anwalt Alexander Heinig, einst Sänger der rechten Skinhead-Combo Ultima Ratio, die Anklage sei vage und mangelhaft und erfülle nicht die vom Gesetzgeber geforderten Kriterien.

Auch sei das Verfahren vor der 18. Staatsschutzkammer politisch motiviert und sei deshalb einzustellen. Es werde eine Ungleichbehandlung vorgenommen. Die linksextremen Antifa-Aktivisten würden nachweislich Straftaten begehen, würden indes nicht als kriminelle Vereinigung verfolgt. Auch organisiert-kriminelle Gruppierungen wie die Black Jackets seien bis heute nicht als kriminelle Vereinigung eingestuft. „Ich beantrage deshalb, das Verfahren einzustellen“, so Heinig.

Verteidiger Steffen Hammer, der ebenfalls als Szene-Anwalt gilt, schlägt in dieselbe Kerbe und bemängelt zudem, dass seinem Mandanten bislang nicht alle Prozessakten zugänglich gemacht worden seien. Deshalb müsse das Hauptverfahren mindestens ausgesetzt werden. Die 18. Strafkammer hat die Anträge noch nicht beschieden.

Die Vorwürfe gegen die vier Angeklagten reichen von Sachbeschädigungen und Körperverletzung über Beleidigungen und Bedrohungen bis zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Am schwersten wiegt der Vorwurf, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein. Eine Gruppe gilt als kriminelle Vereinigung, wenn ihre Zwecke oder ihre Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.