Foto: dapd/Greenpeace

Nach Besetzung des Kühlturms kündigt EnBW eine interne Untersuchung der Schutzmaßnahmen an.

Neckarwestheim - Die Besetzung des großen Kühlturms durch Greenpeace-Aktivisten hat dem Kernkraftwerk in Neckarwestheim nicht nur bundesweite Schlagzeilen beschert. Die spektakuläre Kletterpartie auf dem 56 Meter hohen Betonteil weckt auch neue Zweifel am Sicherheitskonzept für die beiden umstrittenen Atommeiler.

Mit dem Schlauchboot im Morgengrauen über den Fluss schippern und dann einfach über den etwa drei Meter hohen Kraftwerkszaun klettern - für die Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace war die Stippvisite im Kernkraftwerk Neckarwestheim offenbar ein Kinderspiel. "Wir waren am Montag selbst erstaunt, wie einfach es war, aufs Gelände zu kommen", gibt Tobias Riedl zu. Laut dem Organisator der Protestaktion hatte Greenpeace bei der Vorbereitung der Kletterpartie mit deutlich besseren Schutzvorkehrungen gerechnet. "Dem Wachdienst waren wir jedenfalls schon zahlenmäßig klar überlegen", sagt er.

Die Atomgegner ketteten sich am Kühlturm des Kernkraftwerks fest und entrollten ein immerhin 500 Quadratmeter großes Transparent mit einem Totenkopf und dem Radioaktivitätszeichen. Auf dem Beton hinterließen sie die Aufschrift "Atomkraft schadet dem Ländle". Die Polizei, ab 5.15 Uhr am Einsatzort, brauchte Stunden, um die Aktivisten von der Wand zu schneiden. Insgesamt 52 Greenpeace-Aktivisten wurden vorübergehend festgenommen, neben Hausfriedensbruch gibt es ein juristisches Nachspiel wegen Körperverletzung - ein Mitarbeiter des Wachschutzes soll umgestoßen und leicht verletzt worden sein.

Erklärtes Ziel der Greenpeace-Aktion war, auf angebliche Sicherheitsmängel im Betrieb des Nuklearmeilers hinzuweisen. Die Umweltorganisation fordert die sofortige Abschaltung des als "Schrottreaktor" bezeichneten Block 1 und wirft der Stuttgarter Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) vor, die notwendige Nachrüstung des Atomkraftwerks zu verschleppen. Doch die Leichtigkeit, mit der die Aktivisten auf den Kühlturm kamen, wirft auch die Frage nach Lücken im Objektschutz auf: Was wäre im Kernkraftwerk Neckarwestheim passiert, wenn nicht "harmlose" Umweltschützer, sondern schwer bewaffnete Terroristen im Morgennebel aufs Gelände gestürmt wären?