Wohin geht die Reise? Ein Wanderer unweit des Ruhesteins. Die Gegend an der Schwarzwaldhochstraße soll Teil des Nationalparks Nordschwarzwald werden. Foto: dpa

Grün-Rot legt großen Wert auf Bürgerbeteiligung – auch in der Frage, ob es einen Nationalpark im Land geben soll. Aber im Nordschwarzwald wachsen die Zweifel, dass es ernst gemeint ist.

Stuttgart - Es war diese Woche in Karlsruhe, Experten der Forstbranche trafen sich zur Fachtagung zum geplanten Nationalpark, wie ihn Grün-Rot laut Koalitionsvertrag gerne im Nordschwarzwald einrichten würde. Befürworter wie Kritiker liefern sich seit Monaten eine verbale Schlacht um das Für und Wider des Projekts, und Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) hatte bisher stets betont, man werde das Projekt nicht gegen den Willen der Bürger durchsetzen. Aber gilt das noch? Bondes Amtschef Wolfgang Reimer jedenfalls machte in Karlsruhe klar, dass über den Nationalpark „allein der Landtag“ entscheiden werde. Dort hat bekanntlich Grün-Rot die Mehrheit. Reimer fügte hinzu, die Regierung werde natürlich das Gutachten abwarten, das die Beratungsfirma Pricewaterhouse Coopers (PwC) derzeit erstellt. Er erwarte aber kein ablehnendes Votum. Denn „alle Erfahrungen sagen, dass die positiven Effekte überwiegen“. Sprich, dass PwC den Nationalpark empfiehlt.

Die Aussage von Reimer hat die Kritiker des Projekts elektrisiert. „Wenn es die Landesregierung ernst meint mit der Bürgerbeteiligung, sollte die Entscheidung nicht allein dem Landtag überlassen werden“, sagt ein Bürgermeister einer Nordschwarzwald-Kommune, der aus Sorge vor Repressalien der Regierung ungenannt bleiben will. Der Rastatter Landrat Jürgen Bäuerle ist gleichfalls verwundert über den Auftritt des Spitzenbeamten aus Stuttgart: „Solche Vorfestlegungen halte ich nicht für gut. Wenn es die Landesregierung ernst meint mit dem Gutachten, sollte man es abwarten.“

Diese Expertise will das Ministerium im Frühjahr 2013 veröffentlichen. „Dabei bleibt es“, sagt eine Sprecherin von Bonde und verspricht, die Gutachter würden die Anregungen aus den regionalen Arbeitskreisen in ihre Bewertung einfließen lassen. Ist das so? Es gibt Zweifel. Zwar treffen sich Vertreter der Kommunen, der Forstwirtschaft und des Tourismus seit Monaten regelmäßig, um in den Arbeitskreisen die Vor- und Nachteile des Nationalparks zu erläutern, und bei jedem Treffen sitzen Vertreter von PwC mit am Tisch. Aber einige Sitzungsteilnehmer staunten nicht schlecht, als Mitarbeiter der Gutachterfirma jüngst klarmachten, man sei „unabhängig“, und was da in den Arbeitskreisen besprochen werde, „fließt nicht zwangsläufig in das Gutachten ein“. Der ganze Beteiligungsprozess also eine Farce? Die Sprecherin von Bonde weist den Verdacht zurück. Bei mehreren Bürgermeistern hinterließ der Auftritt der PwC-Leute dennoch das Gefühl, man sei „nur das Feigenblatt der Landesregierung.“

Sorge wächst, bei künftigen Auftragsvergaben leer auszugehen

Grün-Rot tut sich offenbar schwer mit den Kritikern aus der Welt der dunklen Tannen. Das zeigte sich vor Wochen, als Förster in Zivil bei einem Dorffest in Enzklösterle gegen das Projekt demonstrierten und der Auftritt wenig später bei der Regierung in Stuttgart aktenkundig war. Auch an anderen Stellen reagiert das Bonde-Haus offenbar sensibel. Nach Recherchen unserer Zeitung ist die Zentralstelle des Ministeriums derzeit mit einem brisanten Auftrag beschäftigt und soll aufklären, ob das Land oder Forst BW in Geschäftsbeziehungen zu mehreren Forstunternehmen steht, die sich zuletzt ablehnend zum Nationalpark geäußert hatten. Schon wächst deren Sorge, sie könnten bei künftigen Auftragsvergaben leer ausgehen.

So wird die Debatte um den Nationalpark mal sachlich, mal emotional geführt. Zwar beteuert das Land, noch sei die Grundsatzentscheidung nicht getroffen. Hinter den Kulissen freilich laufen die Vorarbeiten – zum Beispiel auch zu der Frage, wo der für den Nationalpark geplante Staatswald durch weitere Flächen ergänzt werden könnte. Noch im August hatte Bonde in einer Antwort auf eine CDU-Anfrage im Landtag erklärt, „weder die Landesregierung noch die ihr unterstellten Behörden“ seien in Verhandlungen mit kommunalen oder privaten Waldbesitzern. Ist das die Wahrheit?

„Wir werden einen Teufel tun, das Gebiet für den Nationalpark herzugeben“

Jürgen Pfetzer, Bürgermeister von Ottersweier im Kreis Rastatt, erhielt jedenfalls Besuch von Vertretern des Landes. Ob er sich vorstellen könne, rund 450 Hektar kommunalen Wald an der Schwarzwaldhochstraße zu tauschen oder zu verkaufen, wurde der Schultes gefragt. Das Gespräch mit den Gesandten von Grün-Rot muss relativ schnell beendet gewesen sein. „Wir werden einen Teufel tun, das Gebiet für den Nationalpark herzugeben“, bestätigt Pfetzer gegenüber unserer Zeitung seine ablehnende Haltung. Das Waldgebiet sei „hochprofitabel“ und habe vergangenes Jahr „eine sechsstellige Summe für den Haushalt“ abgeworfen. Im Übrigen hätten „in dem Waldgebiet schon Generationen von Bürgern unserer Gemeinde gearbeitet“, das lasse man jetzt nicht einfach für den Nationalpark zuwachsen.

Jenseits solcher Rückschläge versuchen die Befürworter alles, um für ihr Projekt zu werben. Der Naturschutzbund (Nabu) ließ dieser Tage in mehreren Orten der betroffenen Landkreise Freudenstadt, Ortenau, Rastatt und Calw die aufwendig gemachte Zeitschrift „Waldland“ verteilen – in einer Auflage von 125.000 Stück. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) preist darin im Grußwort den Nationalpark „als eine große Chance für die Region“ an, die unberührte Natur könne „als touristischer Magnet dem Nordschwarzwald einen neuen Impuls geben“, und im Übrigen entspreche die geplante Fläche von 10.000 Hektar doch nur 0,7 Prozent der Waldfläche des Landes. Soll heißen: Das ist doch kein Grund für Widerstand. Über die Kosten der PR-Offensive will Nabu-Sprecher Hannes Huber nichts sagen. Nur an einem Punkt wird er konkret. An den Gerüchten, wonach die Landesregierung einen Zuschuss gegeben habe, sei „nun wirklich nichts dran“.