3D-Illustration der Oberfläche eines größeren kosmischen Objekts im Kuipergürtel mit dem Neptun im Hintergrund. Foto: Imago/Science Photo Library

Die Nasa-Raumsonde „New Horizons“ befindet sich derzeit an den Außengrenzen des Sonnensystems im Kuipergürtel. Dort zählt sie kosmische Staubkörner und macht eine sensationelle Entdeckung, die Astronomen komplett überrascht.

Neptun ist der achte und äußerste Planet unseres Sonnensystems. Er befindet sich rund 30 Astronomische Einheiten (AE) von der Sonne entfernt. Eine Astronomische Einheit entspricht dem Abstand zwischen Sonne und Erde – also rund 150 Millionen Kilometer.

Neptun wurde im Jahr 1846 aufgrund von Berechnungen aus Bahnstörungen des Planeten Uranus durch den französischen Mathematiker Urbain Le Verrier von dem deutschen Astronomen Johann Gottfried Galle entdeckt. Neptun ist durchschnittlich 4,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt.

Eisige Region jenseits von Neptun

Benannt ist der Kuipergürtel nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper (1905-1973). Er stellte 1951 die Hypothese auf, dass einige Kometen aus der Region jenseits von Neptun stammen könnten. Foto: Imago/StokTrek Images
Gängigen astronomischen Modellen zufolge reicht der Kuipergürtel bis etwa 50 astronomische Einheiten über das Sonnensystem hinaus – der 50-fachen Entfernung von Sonne und Erde. Foto: © Nasa

Hinter der Umlaufbahn von Neptun beginnt der Kuipergürtel: die unwirtliche, lebensfeindliche äußere Randzone unseres Sonnensystems. In dieser ringförmigen, flachen Region sind neben unzähligen eisigen Gesteinskörpern auch Zwergplaneten wie Pluto, Eris, Sedna und Quaoar beheimatet. Es wird spekuliert, dass sich der mysteriöse, neptungroße Planet 9 im Kuipergürtel verbergen könnte.

Neue Daten der Nasa-Raumsonde „New Horizons“ deuten daraufhin, dass der Kuipergürtel fast doppelt so groß sein könnte wie angenommen. Nach bisherigen Erkenntnissen erstreckt sich der „Kuiper Belt“, wie er im Englischen heißt, über einen Bereich von 30 bis 50 AE.

Staubmessung jenseits des Neptun

Nach ihrem Vorbeiflug am Zwergplaneten Pluto im Sommer 2015 und am Kuipergürtel-Objekt Arrokoth (Ultima Thule) durchbrach „New Horizons“ im April 2021 den Entfernungsrekord von 50 astronomischen Einheiten. Foto: Imago/StockTrek Images

Mit Hilfe des sogenannten „Ventia Burney Student Dust Counter“ (SDC), einem Instrument zum Zählen kosmischer Partikel, kann „New Horizons“ die Staubdichte im Weltall feststellen. Wozu dient diese SDC-Methode? Die Staubdichte gibt Aufschluss darüber, wie weit beispielsweise der Kuipergürtel in das äußere Sonnensystem hinausreicht. Die Detektoren von „New Horizons“ haben bei ihren Messungen deutlich mehr Staub in dieser Region registriert als es die gängigen astronomischen Modelle vorsehen.

Die jetzt von dem US-Astronomen Alex Doner von der University of Colorado von Boulder und seinem Team ausgewerteten Daten von "New Horizons" stammen aus einer Entfernung von 45 bis 55 astronomischen Einheiten von der Sonne. Das könnte darauf hindeuten, dass der Kuipergürtel statt 50 sogar bis zu 80 astronomische Einheiten weit ins Weltall hinausreicht.

Ihre Studie ist im aktuellen Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ veröffentlicht.

Erstes Objekt im Kuipergürtel 1992 entdeckt

Benannt ist der Kuipergürtel nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper (1905-1973). Dieser stellte im Jahr 1951 die Hypothese auf, dass einige Kometen aus der Region jenseits von Neptun stammen könnten. Das erste Objekt des Kuipergürtels wurde 1992 entdeckt, womit Kuipers Theorie bestätigt wurde.

Weil diese Objekte sehr wenig Licht abstrahlen und sich nur langsam bewegen, sind sie astronomisch nur schwer zu erkennen. Um die Sonne einmal zu umrunden, brauchen sie in der Regel mehrere hundert Jahre. Schätzungen zufolge enthält der Kuipergürtel mehr als 70 000 Objekte mit über 100 Kilometer Durchmesser sowie zahlreiche kleinere Objekte.

Die meisten von ihnen sind mit einem Durchmesser von zehn bis 50 Kilometern eher winzig. Mit einem Durchmesser von 2370 Kilometern gilt Pluto als größter Zwergplanet im Kuipergürtel.

Erstmals Messdaten zum interplanetaren Staub jenseits Neptun

Die Oberfläche eines kosmischen Objekts im Kuipergürtel. Foto: Imago/StockTrek Images

„New Horizons“ ist von der Nasa ausgesandt worden, um den transneptunischen Bereich unseres Sonnensystems genauer zu erforschen. Nach dem am Pluto im Sommer 2015 und am Kuipergürtel-Objekt Arrokoth (Ultima Thule) durchbrach die Sonde im April 2021 den Entfernungsrekord von 50 astronomischen Einheiten. Keine anderes Raumchiff ist damit soweit in den Weltraum vorgedrungen wie „New Horizons“.

Damit ist sie „die erste Raumsonde, die direkte Messdaten zum interplanetaren Staub jenseits des Neptun und Pluto liefert“, erklärt Alex Doner. Der Staub entsteht vermutlich durch Kollisionen zwischen transneptunischen Objekten sowie durch Mikroeinschläge auf deren Oberfläche.

Was die Staubdichte über kosmische Entfernungen aussagt

Der Kuipergürtel könnte weiter hinausreichen als es gängige Modelle vorsehen. Foto: © Dan Durda/FIAAA

Die neuen Daten zeigten, dass „die von der Sonde in 55 Astronmischen Einheiten Entfernung dokumentierten Staubströme dichter bleiben als es aktuelle Modelle vorhersagen“, berichten die Forscher. Bisher sei man davon ausgegangen, dass die Staubdichte in dieser Entfernung deutlich abnimmt, weil der Außenrand des Kuipergürtels bei etwa 50 astronomischen Einheiten verortet wird.

Den Analysen zufolge müsste „New Horizons“ den Kuipergürtel also längst verlassen haben. Doch das scheint nicht der Fall zu sein. „New Horizons begegnet dort draußen offenbar einer neuen Population eisiger Partikel, die in gängigen Modellen nicht enthalten sind.“ Daraus schließen die Forscher, dass der Kuipergürtel größer ist als bisher angenommen – möglicherweise 80 astronomische Einheiten.

Werden weitere unerkannte Objekte entdeckt?

„Die Vorstellung, dass wir einen erweiterten Kuipergürtel entdeckt haben, ist aufregend“, betont Alex Doner. „Dort draußen gibt es möglicherweise eine weitere, noch unerkannte Population von Objekten, die miteinander kollidieren und Staub produzieren.“ Zu dieser Population könnten noch weiter entferntere Zwergplaneten als jene gehören, die Astronomen in den letzten Jahren jenseits des eigentlichen Kuipergürtels entdeckt haben.

„Diese neuen Ergebnisse“, sagt „New-Horizons“-Forschungsleiter Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder, „könnten das erste Mal sein, dass eine Raumsonde eine ganz neue Population von Himmelskörpern in unserem Sonnensystem entdeckt hat.“