Jördis Hasler in ihrem neuen Laden Foto: Max Kovalenko

In vielen Teilen der Stadt bricht die Nahversorgung weg. Doch am Burgholzhof schafft nun "Jojos Lädle" Abhilfe: Das Ehepaar Jördis und Thomas Hasler bieten jetzt ein Sortiment für den täglichen Bedarf an. Kioskware wie Tabak oder Zeitschriften, aber auch Lebensmittel und Getränke gibt es zu kaufen.

Stuttgart - Die Postbotin, die am Burgholzhof ihre Runden dreht, ist erleichtert. „Endlich“, sagt sie, „endlich tut sich was für die Leute hier. Endlich können sie hier wieder einkaufen." Es tut sich tatsächlich was: Am Mittwoch eröffnete Jojos Lädle. Das Ehepaar Jördis und Thomas Hasler bieten jetzt ein Sortiment für den täglichen Bedarf an. Kioskware wie Tabak oder Zeitschriften, aber auch Lebensmittel und Getränke. Abgerundet wird das Ganze durch Tiefkühlkost sowie Hygiene- und Drogerieartikel.

„Klasse“ findet die Neueröffnung auch Fatma Kokkinos. Ihren Großeinkauf will sie zwar weiterhin bei einem großen Laden erledigen. „Aber Dinge für den täglichen Bedarf will ich dort holen.“ So könne sie schnell mit dem Kinderwagen zu Jojos Lädle laufen. Ein Vorteil, für den sie gerne auch ein paar Cent mehr für den Liter Milch ausgeben will.

Das hören die Haslers gerne. „Auf solche Kunden sind wir angewiesen“, sagt Thomas Hasler, „wenn sie kommen, dann gehe ich nach der Arbeit mit einem Lächeln nach Hause.“ Der Hinweis mit der guten Laune hat einen ernsten Hintergrund. Denn ihre Existenzgründung ist ein riskantes Unternehmen. Die Gewerbefläche James-F.-Byrnes-Straße 41 stand lange leer. Mit 120 Quadratmetern ist in der Regel nicht viel anzufangen. Zudem grenzt der Einsatz an Selbstausbeutung. Jördis „Jojo“ Hasler, die Namenspatronin des Ladens, rechnet mit einem „Zwölfstundentag – mindestens“. Sie schmeißt den Laden, der montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr und samstags von 8 bis 13 Uhr geöffnet hat, meist alleine. Ihr Mann, der bis 17 Uhr bei einem Lampenladen in Weilimdorf arbeitet, kann sie kaum entlasten. Und dann ist da noch der Sohnemann, der sechsjährige Alexander.

Lohnt sich das? Nur für wenige. Jeder, der kühl rechnet, kommt zum ernüchternden Ergebnis: Aufwand und Ertrag stehen in einem Missverhältnis. So wundert es nicht, dass so ein Laden in vielen Stadtteilen fehlt.

Doch Jördis Hasler ist als gelernte Altenpflegerin Schuften gewohnt. Es klingt absurd: Aber trotz der Belastung durch den Laden hofft die Mutter, mehr Zeit für ihren Mann und ihren Sohn zu haben: „Schichtdienst und Nachtwachen im ambulanten Pflegedienst sind schwer mit dem Familienleben zu verbinden.“ Ihr Gatte nickt: „So haben wir wenigstens den Sonntag für uns.“

Ohne diese Einstellung und eine große Portion Idealismus würde die Sache nicht funktionieren. Für Thomas Hasler erfüllt sich ein Kindheitstraum: „Ich weiß nicht, warum“, sagt er, „aber ich wollte schon immer einen Tante-Emma-Laden aufmachen.“ Doch das Leben in der DDR führte ihn auf einen anderen Weg. Erst arbeitete er als Klempner, dann als Koch und nun im Handel. Erst der Umzug im April 2013 auf den Burgholzhof machte ihn zu „Onkel Emma“. Zum stolzen Ladenbesitzer. Auf dem Heimweg von der Arbeit entdeckte Thomas Hasler das Schild der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) im Schaufenster des Ladens an der James-F.-Byrnes-Straße. Als er dann noch von seinen neuen Nachbarn hörte, dass der Burgholzhof im Bereich Nahversorgung ein Ödland sei, „sind meine Ohren immer größer geworden“.

Sein Traum war in greifbarer Nähe. „Als wir die SWSG-Werbung am leer stehenden Laden gesehen haben, wussten wir: Jetzt wird der Traum wahr“, sagt Jördis Hasler.

Dabei schreckte beide auch nicht, dass in unmittelbarer Nähe der portugiesische Feinkosthändler Jorge Melo mit seinem Laden Mercado da Saudade (380 Quadratmeter Ladenfläche) seit dem Spätherbst 2013 residiert. „Jorge ist ein feiner Kerl und keine Konkurrenz für uns“, sagt Thomas Hasler. Der Portugiese nickt zustimmend: „Wir kommen uns nicht ins Gehege.“ Melo hat nur portugiesische Importprodukte – vor allem Wein und Tiefkühlfisch. Waren, mit denen man nicht seinen täglichen Bedarf decken kann. Daher begrüßt es Melo, dass die Haslers „Milch oder deutsches Bier verkaufen“. So werde das drängende Problem der Nahversorgung auf dem Burgholzhof gelindert.

Aber ist es durch Jojos Lädle auch gelöst?

„Wir sind froh, dass die beiden Gewerbemieter im Burgholzhof sich mit ihren Angeboten ergänzen“, sagt SWSG-Geschäftsführer Wilfried Wendel, „damit verbessert sich die Nahversorgung im Quartier.“ Auch die städtische Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht freut sich, dass sich in diesem Quartier eine Lösung der Nahversorgungsprobleme abzeichnet. Zudem freut sie sich, dass Thomas Hasler auch einen Lieferdienst für Ältere etablieren will. „Ich begrüße die Initiative der Haslers sehr“, sagt Aufrecht, „aber wir müssen schauen, ob die Sache auch nachhaltig funktioniert. Dazu müssen die Bürger das Angebot auch annehmen.“