Am Mittwoch haben die Narren den Amtssitz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gestürmt und wurden von ihm und seiner Frau Gerlinde mit offenen Armen empfangen. Foto: www.7aktuell.de | Oskar Eyb

Die Narren sind bei den Kretschmanns herzlich Willkommen: Mit den Worten "Gern überlass' ich den Narren nun das Feld, kommt rein in meine Reitzensteiner Welt!" öffnete Winfried Kretschmann am Mittwoch die Tore des Staatsministeriums.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) empfing die Narren in recht zahmer Aufmachung: Ein rotes Tuch hatte er sich für den „Närrischen Staatsempfang“ am Mittwoch in der Villa Reitzenstein um den Hals gebunden, einen Hut und eine grüne Brille aufgesetzt. Die rund 180 Narren der alemannisch-schwäbischen Narrenzünfte trieben es umso wilder: Unter die Hexen und Narren im traditionellen grün-roten Häs mischte sich Buntgefiedertes, Katzen- und Mäusegesichtiges.

Exakt eine Minute nach zwölf Uhr marschierten die Narren, angeführt von der Kapelle des Alemannischen Narrenrings, auf den Platz vor dem Staatsministerium. Von weitem begrüßte Gusti Reichle, Vizepräsident des Alemannischen Narrenrings, Kretschmann mit einem lauten „Narri Narro!“. In seiner Ansprache bekannte sich Reichle zum Landesvater: „Der Kretschmann will in Stuttgart bleiben, das können wir nur unterschreiben!“ Statt nach Brüssel, wohin es Kretschmanns Vor-Vorgänger Günther Oettinger verschlagen hatte, solle der Ministerpräsident „lieber in die Staatsgalerie gehen“ - eine Anspielung auf dessen Vorliebe für den Aktmaler Modigliani.

"Zum Berliner Flughafen sag ich nix"

Auch Kretschmann teilte in seiner Rede aus. Allerdings traf es nicht die Narren, sondern die Bundeshauptstadt: „Zum Berliner Flughafen sag ich nix, möcht' nur darauf hinweisen, wie schön's ist, in a Weckle zu beißen“, reimte Kretschmann. Etwas holprig, zugegeben, „aber das muss bei einer Büttenrede so sein“, verteidigte ihn ein Narr. Mit den Worten „Gern überlass' ich den Narren nun das Feld, kommt rein in meine Reitzensteiner Welt!“ öffnete der Regierungschef schließlich die Tore des Staatsministeriums.

Die Narren waren im luftigen Häs bei Minustemperaturen wohl auf dem Vorplatz festgefroren, denn die „Erstürmung der Villa Reitzenstein“ vollzog sich recht gemächlich. Anders als die Jahre zuvor musste Kretschmann keinen närrische Prüfung bestehen und durfte sich unbehelligt zum gemeinschaftlichen Saitenwürschtle-Essen in den Räumlichkeiten seines Regierungssitzes begeben. Zuvor hatten die Narren ihm einen Scheck überreicht: 1111,11 Euro wollen sie an die Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt spenden, in der ein Feuer Ende November 14 Todesopfer forderte. Dem Wunsch von Kretschmanns Ehefrau Gerlinde entsprechend geht dieselbe Summe an die Straßenzeitung Trott-War in Stuttgart.

Kretschmanns Vor-Vorgänger Oettinger hatte zur Fastnacht 2006 einen schwereren Stand: Vom Balkon aus wollte er die Zünfte empfangen und so einen Sicherheitsabstand zwischen sich und die Narren bringen. Die hatten allerdings eine Leiter im Gepäck, mit der sie kurzerhand den Balkon erklommen. Von den schon reichlich betrunkenen Offenburger Hexen wurde Oettinger über die Balkonbalustrade gehängt und befand sich sekundenlang freischwebend über den Köpfen der erstaunten Narren. So etwas kann ihm in Brüssel nicht mehr passieren.