Brüssel: Ein Plastikcontainer mit der Aufschrift „Glyphosat“ steht bei einer Protestaktion vor dem Eingang des Chemiekonzerns Bayer (Archivbild). Foto: dpa/Fabian Sommer

Lange wurde gestritten, jetzt gibt es eine Entscheidung: Im Alleingang entscheidet die EU-Kommission, dass der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat weitere zehn Jahre in der EU genutzt werden darf. Möglich wurde das durch die Uneinigkeit der EU-Staaten.

Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat wird in der EU weitere zehn Jahre zugelassen. Minuten nach einem Treffen mit Vertretern der EU-Staaten hinter verschlossenen Türen verkündete die EU-Kommission am Donnerstag die kontroverse Entscheidung. Die Mitgliedsländer der EU hätten das zwar verhindern können, dafür gab es aber keine ausreichende Mehrheit. Die derzeitige Zulassung wäre Mitte Dezember ausgelaufen - bis dahin muss die EU-Kommission die Zulassung auch formell erneuert haben.

Damit Risiken für Menschen, Tiere und Umwelt möglichst gering gehalten werden, soll es laut EU-Kommission Einschränkungen geben, wie das Mittel eingesetzt werden darf. Dazu gehören laut der Behörde unter anderem Maßnahmen zum Schutz von Tieren und Pflanzen, die nicht das eigentliche Ziel des Glyphosat-Einsatzes sind. Es soll auch verboten werden, Glyphosat als Trockenmittel vor der Ernte einzusetzen.

Wie es in Deutschland weiter geht, ist nicht abschließend geklärt

Die alleinige Verantwortung will die Kommission aber offensichtlich nicht übernehmen. In einer Mitteilung wird explizit darauf hingewiesen, dass die EU-Staaten Glyphosat weiterhin auf nationaler und regionaler Ebene einschränken könnten. Inwiefern solche Einschränkungen aber nach der Entscheidung der Kommission rechtlich haltbar sind, ist fraglich. Luxemburg hatte die Verwendung von Glyphosat zu verbieten versucht. Das wurde aber gerichtlich gekippt, unter anderem weil Luxemburg das Verbot nicht ausreichend begründet hatte.

Wie es in Deutschland weiter geht, ist nicht abschließend geklärt. Im  Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP heißt es: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ Das ist aber mittlerweile fraglich. So sagte die FDP-Fraktionsvize Carina Konrad der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, Bundesagrarminister Cem Özdemir sei nun gefragt, die zehnjährige Verlängerung von Glyphosat in Deutschland umzusetzen.

Was will Özdemir?

Özdemir ist einer der wichtigsten Befürworter, Glyphosat vom Markt zu nehmen. Der Grüne sagte, er gehe davon aus, dass alle drei Partner sich dem Koalitionsvertrag verpflichtet fühlten „und das jetzt gemeinsam umsetzen“. Im Rahmen dessen, was Brüssel festgelegt habe, solle der nationale Spielraum genutzt werden.

Wie die SPD in Berlin zu dem Thema steht, ist laut Özdemir unklar. Er sagte, ihm sei keine „irgendwie geartete Positionierung“ des Koalitionspartners bekannt. Auf Anfrage teilte Matthias Miersch, SPD-Fraktionsvize, mit, entscheidend sei, welches weitere Vorgehen das Agrarministerium vorschlage. Die SPD-Europaabgeordneten Delara Burkhardt und Maria Noichl kritisierten die bevorstehende Verlängerung.

Freude gab es aufseiten der Union. So bezeichnete der Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins (CDU), die Verlängerung als einen wichtigen Schritt für die europäische Landwirtschaft.

Krebserregend?

Streit gibt es unter anderem darüber, ob Glyphosat krebserregend sein könnte. Zudem stehen Gefahren für die Umwelt im Raum. Eine aufwendige Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte jüngst keine inakzeptablen Gefahren gesehen, aber auf Datenlücken in mehreren Bereichen hingewiesen.

Zu den Aspekten, die nicht abschließend geklärt wurden, gehören laut Efsa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Auch mit Blick auf den Artenschutz ließen die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.

Glyphosat wird auch als Totalherbizid bezeichnet, es lässt Pflanzen absterben. Wo Glyphosat versprüht wird, sterben Gräser, Sträucher oder Moos. Das Mittel wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, um ein Feld frei von Unkraut zu halten, bevor Nutzpflanzen ausgesät werden.

Bayer begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission

Der Glyphosat-Hersteller Bayer begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission. „Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können“, teilte der Leverkusener Konzern mit.

Umweltverbände und Grüne sehen das Mittel kritisch. „Der Schutz der Gesundheit von Millionen Europäerinnen und Europäern muss vor den Konzerninteressen Bayers stehen“, teilte die Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne) mit. Christine Vogt vom Umweltinstitut München sagte, der Kommission fehle eindeutig das politische Mandat, das Pestizid weiterhin zuzulassen.

Dass sich Deutschland bei der Abstimmung am Donnerstag in Brüssel wegen unterschiedlicher Ansichten innerhalb der Bundesregierung enthalten hat, stößt auch auf Kritik. „Die Grünen sind erneut von der blockierenden FDP eingeknickt, und die SPD hat tatenlos dabei zugeschaut“, sagte Chris Methmann von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht einzuhalten und dann nicht gegen die Verlängerung zu stimmen, sei scheinheilig und eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler.