Nachtbus in Ludwigsburg: Das beste Anschlussangebot an die Nacht-S-Bahnen aus Stuttgart bringt auch die meisten Fahrgäste in den VVS-Landkreisen Foto: VVS

Als die Nacht-S-Bahnen vor gut zwei Jahren starteten, sortierten auch die Landkreise um Stuttgart ihre Anschlüsse neu. Böblingen und Ludwigsburg mit richtigen Buslinien, Esslingen und Rems-Murr eher mit Ruftaxis. Das war gut so, sagen die einst Gescholtenen.

Stuttgart - Nacht-S-Bahn – und dann?

Rund 900 000 Fahrgäste sind im zweiten vollständigen Betriebsjahr in den Nächten am Wochenende und vor Feiertagen in die S-Bahnen eingestiegen. Das sind im Durchschnitt 189 Menschen pro Zug. Den meisten von ihnen reicht die Fahrt zu „ihrer“ S-Bahn-Station, doch einige wollen noch weiter. Für diese haben die Landkreise im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) Anschlüsse mit Bus- oder Ruftaxilinien geschaffen. Gemeinsam ist den VVS-Landkreisen, dass sie sich mit ihren Lösungen auf einem guten Weg wähnen – obwohl es vorab Kritik an den unterschiedlichen Standards insbesondere in den Kreisen Esslingen und Rems-Murr gab. Die Ruftaxis, auf die Landratsämter und Kommunalverwaltungen dort setzen, würden nicht den Qualitätsansprüchen und Kapazitätsanforderungen im Verkehrsverbund gerecht, monierten etwa die Grünen und auch die CDU in der Regionalversammlung. Sprich: Die Taxis seien zu klein, kosteten zusätzlich und müssten auch noch extra bestellt werden.

Auf dem Land reicht Ruftaxi

Nach zwei Jahren Betrieb fühlen sich die Landkreise in ihrer Vorgehensweise bestätigt. „Wir wollen ein passgenaues Angebot für den Landkreis“, sagt Peter Zaar, Verkehrsdezernent des Rems-Murr-Kreises, „und ich glaube, wir haben eine ganz ideale Lösung gefunden.“ So sei zu den Nachtbussen Backnang–Burgstetten (N 30) und Waiblingen–Kernen (N 31) Mitte Dezember eine dritte Linie von Backnang ins Weissacher Tal dazugekommen, „weil wir gesehen haben, dass die Ruftaxis nicht mehr reichen“, so Zaar. Andernorts reichten die Taxis jedoch. Es lohne im ländlich geprägten Kreis nicht den Aufwand, große Niederflurbusse in jeden Ort etwa des Schwäbischen Waldes zu schicken, wenn diese nahezu leer unterwegs sein würden. Ein Indiz dafür sei auch, dass manche Gemeinden ihren Anteil des Aufwands nicht tragen wollten.

Einen anderen Kritikpunkt hat das Landratsamt fast ausgeräumt. Abgesehen vom Ruftaxi in Allmersbach im Tal, Weissach und Auenwald gilt mittlerweile auf allen 25 Linien der VVS-Tarif, so dass der Fahrgast von der S-Bahn kein weiteres Ticket lösen muss. Dafür gibt es – anders als in vielen Kommunen im Kreis Esslingen – nicht mehr die Möglichkeit, sich gegen einen sogenannten Komfortzuschlag anstatt an der Haltestelle vor der Haustüre absetzen zu lassen. Der Wegfall der Zuschläge und die Einführung einer zentralen Rufnummer (mit Stuttgarter Vorwahl) sowie der Möglichkeit einer Bestellung im Internet haben die Fahrgastzahlen abseits der S-Bahn-Linien ansteigen lassen – laut Zaar um etwa das Dreifache gegenüber 2013. Auf der N 30 waren es 2014 gut 3400 Fahrgäste, auf der N 31 rund 7200. Zaar kann aber keine absoluten Zahlen nennen, da Waiblingen, Weinstadt und Schorndorf eigene Linien ohne Zuschüsse des Landkreises betreiben.

Ausreißer vom VVS-Tarif

Nicht so weit wie der Rems-Murr-Kreis ist bei den Nachbesserungen der Kreis Esslingen. Sowohl im großen Bereich der Stadt Esslingen als auch im Raum Nürtingen gilt der VVS-Tarif nach Angaben von ÖPNV-Amtsleiter Klaus Neckernuß noch nicht. Sprich: Wer von der S-Bahn kommt, muss bis zu sechs Euro fürs Nachttaxi berappen. Auf allen anderen Linien gilt das VVS-Ticket bis zur Haltestelle. Da alle Buslinien bis 2019 ausgeschrieben und neu vergeben werden müssen, soll die Integration in den Tarif laut Neckernuß auch für alle Ruftaxilinien vorgeschrieben werden.

Ändern werden sich auch die finanziellen Regularien: Bisher übernahm der Landkreis 30 Prozent der Betriebskosten. Das war Kommunen wie Esslingen zu wenig, weshalb es dort bis heute nur Ruftaxis gibt – in anderen Landkreisen sind 50 Prozent üblich. Dieses Modell wird laut Neckernuß künftig auch für neue Angebote im Kreis Esslingen gelten. Der Nahverkehrsexperte verweist wie Peter Zaar auf finanzielle Grenzen: „Wir testen unser System aus und orientieren uns an der Nachfrage.“ So wurde aus dem Ruftaxi 81 Wendlingen–Nürtingen–Bempflingen am 14. Dezember der Nachtbus N 81. Seit November gibt es das neue Ruftaxi N 14 von Esslingen den Schurwald hinauf nach Aichwald-Aichelberg. Neckernuß’ Fazit: „Es hat sich als gut erwiesen, dass wir weiter draußen Taxis einsetzen.“ VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger urteilt: „Die Vernetzung im Nachtverkehr ist gut, die Feinverteilung kommt noch.“

Die Musterschüler

Ein umfangreiches Angebot an großen Nachtbussen haben die Kreise Böblingen und Ludwigsburg. VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger spricht von „voller Abdeckung“. Im Kreis Böblingen bringen neun Linien die gut 22 000 Fahrgäste von den Nacht-S-Bahnen in fast alle Orte im Hinterland. Dazu gehört sogar Tübingen, das seit Dezember 2013 die N 80 zur S 1 nach Herrenberg unterhält. Der Kreis Böblingen lässt sich sein Engagement rund 108 000 Euro pro Jahr kosten. Es lohne sich, sagt Landratsamtssprecher Dusan Minic: „Das Angebot wird gut angenommen.“

Noch besser sogar in Ludwigsburg, wo der Kreis schon seit dem Jahr 2001 ein eigenes Nachtbus-Netz betreibt, dessen zwölf Linien alle Orte mit über 2000 Einwohnern erschließen. Die Fahrgastzahlen für 2014 liegen noch nicht vor, doch Andreas Fritz vom Landratsamt Ludwigsburg geht „von mehr als 70 000 Fahrgästen“ aus, nachdem es 2013 rund 65 000 waren. Das lässt sich der Kreis 165 000 Euro im Jahr kosten, ebenso viel bezahlen die beteiligten Städte und Gemeinden. „Damit leistet der Kreisnachtbus einen erheblichen Beitrag zur Verkehrssicherheit im Landkreis“, sagt Fritz. Weil betrunkene Partygänger vermutlich seltener mit dem Auto unterwegs sind.