Freude über den Gerichtsbeschluss: Norbert Boceck mit Gockel Ottmar. Foto: Ines Rudel

Die Geschichte ist skurril: Sieben Jahre haben sich die Gerichte mit Gockel Ottmar beschäftigt. Jetzt gibt es für den Gefiederten ein Happy-End: Er darf bleiben, wo er ist, obwohl sich einige Anwohner bei seinem Gekrähe die Haare raufen.

Die Geschichte ist skurril: Sieben Jahre haben sich die Gerichte mit Gockel Ottmar beschäftigt. Jetzt gibt es für den Gefiederten ein Happy-End: Er darf bleiben, wo er ist, obwohl sich einige Anwohner bei seinem Gekrähe die Haare raufen.

Köngen - Man sieht ihm den Triumph nicht an: Ottmar VI. hat die Richter am Verwaltungsgericht bezirzt und darf nun ganz legal früh morgens seinen Hahnenschrei in die Lüfte schmettern. „Die Einspruchsfrist ist abgelaufen“, jubelt sein Besitzer, der Kleintierzüchter Norbert Boceck. Ottmar blickt ihn mit stoischer Ruhe an.

Grund zur Freude hat Norbert Boceck tatsächlich: Seit sieben Jahren beschäftigen sich die Richter mit mehreren Klagen gegen seine Hühnerhaltung in Köngen (Kreis Esslingen). Dort herrscht nicht gerade Großstadtatmosphäre, aber aus dem Status eines Dorfes ist die Gemeinde mit 10 000 Einwohnern auch längst herausgewachsen. So gingen zwischen Kläger und Beklagtem die Meinungen auseinander: Ist es rechtens, dass Boceck mitten im Ort, nur 200 Meter vom Rathaus entfernt, sein Federvieh hält? War nun das Ei oder die Henne zuerst da – sprich die Hühner oder die Anwohner?

500 Euro pro ungenehmigtem Krähen

Die Geschichte begann mit einer Klage eines Nachbarn gegen den heute 67-jährigen Boceck. Ein angeblich herzkranker Nachbar fühlte sich von dem Gockel der Rasse New Hampshire derart beeinträchtigt, dass er per Anwalt Unterlassung forderte. Ottmar sollte nur noch zwischen 7 und 20 Uhr krähen, an Wochenenden und Feiertagen erst ab 9 Uhr. Falls Ottmar außerhalb dieser Zeiten den Schnabel aufreißen sollte, müsste Boceck jedes Mal 500 Euro bezahlen.

Das habe er natürlich nicht unterschrieben, sagt der Züchter. Vielmehr baute er für sein Geflügel einen schönen großen Stall. „Ich dachte, das hier sei Mischgebiet“, sagt er zur Erklärung. Doch als direkt neben seinem Grundstück ein Mehrfamilienhaus gebaut wurde, änderte die Gemeinde offenbar den Status in ein reines Wohngebiet.

Boceck bliebt nichts übrig, als den Stall wieder abzureißen. Dann kam er aber auf die Idee, einen schallisolierten Stall zu bauen. Doch jetzt machten ihm erneut die Behörden einen Strich durch die Rechnung. Der Gemeinderat lehnte das Baugesuch für einen Stall ab. Und auch das Landratsamt und Regierungspräsidium gaben Boceck, Ottmar und seinen Hennen keine Rückendeckung. „Die Hühner waren geduldet, aber ich wollte eine offizielle Genehmigung.“

Richterin kam zum Probehören

Inzwischen hatte der Nachbar das Amtsgericht eingeschaltet, die Richterin hatte sich vor Ort von Ottmar Kostproben seines Hahnenschreis geben lassen. Doch vor dem Urteil 2012 stand die Sommerpause – der genervte Nachbar gab auf und zog weg. Jetzt allerdings, so Boceck, habe sich der Besitzer des noch recht neuen Mehrfamilienhauses beschwert.

„Das Haus steht schon auf zwei Baugrundstücken, und den Bauplatz, auf dem meine Hühner sind, wollte er noch dazu“, schüttelt Boceck den Kopf. Der 67-Jährige war nun an einem Punkt, wo er endlich Klarheit wollte. Er klagte gegen das Land Baden-Württemberg auf das Recht, eine Baugenehmigung für einen Stall zu bekommen. Dieses Mal landete der Fall vor dem Verwaltungsgericht.

Und siehe da: Worauf Boceck jahrelang gehofft hatte, es klappte. Seine Hühnerhaltung ist nach dem Urteil jetzt völlig legal. Zwar kam offiziell bei der Geschichte ein Vergleich heraus. De facto aber hat das Gericht Boceck seine Hühnerzucht erlaubt.

Der neue Stall wird schallisoliert

„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das zur Hühnerhaltung errichtete Gebäude als verfahrensfrei einzustufen ist. Der Erteilung einer Baugenehmigung bedurfte es nicht. Die Erteilung des Einvernehmens durch die Gemeinde war entbehrlich.“ Im nächsten Absatz wird Boceck sogar ein neuer Stall – verfahrensfrei – erlaubt. Er muss lediglich Standort und Maße einhalten, den Stall zehn Zentimeter dick schallisolieren und ihn teils abdunkeln.

Für Gockel Ottmar wird der Vergleich im dritten Abschnitt spannend. Denn da geht es konkret um seinen Harem. Der wurde vom Gericht auf zehn begrenzt, die Zahl der Küken wurde ebenfalls auf maximal zehn festgelegt. Damit kann Ottmar bestimmt leben; begrüßen wird er den Umstand, dass das Gericht nur einen Hahn auf dem Gelände zulässt.

Dieser Ottmar ist übrigens nicht mehr der, der seit Jahren einige Anwohner ärgert. „Jedes Jahr gibt es einen neuen“, sagt der Züchter. Die Tage von Ottmar VI. sind also gezählt.