Das in Backnang verunglückte Flugzeug ist nun in Händen der Gutachter Foto: StN

Drei Tote und mehrere lebensgefährlich Verletzte bei Flugzeugabstürzen in der Region am Wochenende – nun wird über den Sinn derartiger Shows diskutiert.

Backnang/Metzingen - Die Identität der Opfer des Flugzeugunglücks vom Sonntag in Backnang ist geklärt. Wie die Polizei mitteilt, ist neben dem Piloten auch ein 15-jähriges Mädchen aus dem Raum Backnang ums Leben gekommen; lebensgefährlich verletzt wurden die 44-jährige Mutter des Mädchens sowie ein 30-jähriger Mann aus dem Kreis Esslingen. Die Verletzten schweben immer noch in Lebensgefahr.

Das Luftfahrtbundesamt hat in der Nacht zum Montag begonnen, das Flugzeug zu untersuchen, die genaue Ursache für den Flugunfall ist derzeit noch nicht bekannt. Die Kriminalpolizei Waiblingen sucht Fotos oder Filme, die Besucher vom Start der verunglückten Sportmaschine gemacht haben. Hinweise unter Telefon 0 71 51 / 950 - 0.

Am Montagmorgen sind die Mitglieder des Luftsportvereins Backnang mit dem Aufräumen beschäftigt. Still gehen sie ihrer Arbeit nach, der Schreck sitzt tief. „Wir sind alle sehr betroffen und aufgewühlt“, sagt der Erste Vorsitzende, Helmut Wiesinger. Man habe das Konzept für das Fliegerfest auf die „größtmögliche Sicherheit“ hin ausgerichtet, „das Regierungspräsidium hat uns beste Sicherheitsvorkehrungen attestiert“.

Showprogramm ohne Bedenken genehmigt

Trotzdem diskutieren Anwohner die Frage, ob es weiterhin solche Feste geben sollte. „Es ist ja in Ordnung, wenn Sportler ihr Leben riskieren, aber es ist etwas anders, wenn so viele Zuschauer dabei sind und gefährdet sein können“, sagt Fio Kober. Anette Farci, die während der Veranstaltung in der Gastronomie mitgearbeitet hat, ärgert sich über Schaulustige: „Die Leute tun alle so schockiert. Aber statt dass sie weggegangen sind, rannten sie noch näher ran.“

In diversen Internetforen hat sich seit Sonntagabend eine heftiger Schlagabtausch entwickelt, wie solche Flugshows einzuschätzen sind. Die Kontrahenten sparen dabei nicht mit verbalen Hieben. „Den Bikern werden ganze Strecken zu Verbotszonen ernannt – zu laut, zu gefährlich. Hier hauen die Kisten tonnenweise Kerosin in die Luft, um nur um einem privilegierten Piloten ein bisschen Spaß zu ermöglichen.“ Doch auch die Befürworter wählen klare Worte: „Herrgott, kann man in diesem Lande denn nichts mehr machen, ohne dass sofort Verbotsforderungen kommen?“ Viele Anhänger und Besucher dieser Feste verweisen zudem auf die bundesweit rund 5000 Toten im Straßenverkehr, der wesentlich gefährlicher sei als eine Flugschau.

In Backnang-Heiningen jedenfalls, versichert Clemens Homoth-Kuhs, Sprecher des Stuttgarter Regierungspräsidiums (RP), sei insbesondere das geplante Showprogramm angeschaut und ohne Bedenken genehmigt worden. Pro Jahr genehmigt die Flugaufsichtsbehörde rund 30 derartige Veranstaltungen nach folgenden Kriterien: Die Vorführungen müssen parallel zum Publikum gezeigt werden und dürfen nicht auf die Zuschauer zufliegen. Es ist ein Mindestabstand von 100 Metern einzuhalten. Die Zufahrten für Rettungsfahrzeuge müssen frei sein.

In Pattonville werden 8000 Zuschauer erwartet

Am Wochenende waren laut Homoth-Kuhs mehrere Mitarbeiter des Referats Verkehr „zur Augenkontrolle“ in Backnang. Dabei habe es keinen Grund für Beanstandungen gegeben. Das Unglück habe nicht zum Showprogramm gehört, sondern sei ein normaler Flug gewesen. Man werde jetzt den Bericht der Experten des Bundesluftfahrtamts abwarten, ehe man sich zu Konsequenzen aus der Tragödie äußern könne. „Ein Schnellschuss, indem man sofort alles auf den Prüfstand stellt“, sei nicht sinnvoll.

Dies betrifft auch das anstehende Fliegerfest in Pattonville im Kreis Ludwigsburg am Samstag, 22., und Sonntag, 23. September. Hierfür „sind die Genehmigungen raus“, das Fest werde stattfinden. Dies bestätigt auch Klaus Schmädeke vom Veranstalter, dem Luftsportverein Hohenasperg. „Bei uns sind die Sicherheitsaspekte sehr hoch geschraubt“, sagt er, man übertreffe die Vorgagen des Regierungspräsidiums sogar noch um 50 Prozent. Für die Rundflüge würden nur die erfahrensten Piloten eingesetzt, die die Strecken kennen. Die Maschinen seien „top gewartet und kontrolliert“. Schmädeke erwartet auch nicht, dass Besucher, durch die Unfälle womöglich ängstlich geworden, daheim bleiben könnten. Erwartet werden an beiden Tagen wie in den vergangenen Jahren bis zu 8000 Zuschauer. Weitere Flugtage neben jenem in Pattonville finden demnächst mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in Deckenpfronn im Kreis Böblingen (15. und 16. September) und in Malmsheim, ebenfalls im Kreis Böblingen, (13. und 14. Oktober) statt. Gerade in Malmsheim versagte das Regierungspräsidium im Frühsommer das geplante Sommerfest der Segelflieger: Wegen einer Baustelle in der Nähe wäre bei einem Notfall die schnelle Anfahrt zum Flugplatz nicht möglich gewesen.

Bericht zum Unfall auf der Hahnweide steht noch aus

Bei etlichen Familien dürfte die Neigung, ein solches Spektakel zu besuchen, vergangen sein. So wie bei jener Mutter aus dem Raum Tübingen, deren beide Söhne im Alter von sieben und zehn Jahren mit den Großeltern das Fliegerbergfest in Metzingen-Glems besuchten. Beide Kinder bekamen den Hubschrauber-Absturz mit, wenn auch aus gebührender Entfernung. „Der Hubschrauber hat erst 70 Zentimeter abgehoben, ist dann rückwärts und seitwärts geflogen und hat mit dem Rotor den Boden berührt“, sagt der jüngere Lino. Sein drei Jahre älterer Bruder Luca ergänzt: „Ich dachte erst, das gehört zur Show; doch dann habe ich gemerkt, dass es kein Spaß war.“ „Was wir nächstes Jahr machen, das muss ich mir noch genau überlegen“, sagt die Mutter.

Derweil wartet die Stuttgarter Staatsanwaltschaft weiterhin auf den Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) nach dem Absturz einer Kunstflug-Maschine am 30. April auf der Hahnweide in Kirchheim/Teck, Kreis Esslingen. Damals war der Skistock-König und Kunstflugweltmeister Klaus Lenhart ums Leben gekommen. Sein 24-jähriger Flugschüler überlebte schwer verletzt.

„Nächsten Monat dürften die Untersuchungen abgeschlossen sein“, sagt der BFU-Untersuchungsführer Klaus-Uwe Fuchs. Die Ergebnisse sind für den Staatsanwalt interessant, weil er womöglich gegen den 24-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung ermitteln muss. Im Zwischenbericht der BFU ergeben sich zumindest Hinweise darauf, dass der Pilot womöglich einen Fehler mit dem Tankwahlschalter gemacht hat. Der stand auf Aus. Eine Verwechslung ist offenbar nicht auszuschließen: „Die Regler für die Drehzahl und den Kraftstoffdurchfluss befinden sich eng beieinander“, heißt es im Zwischenbericht. Sie können nur vom hinteren, dem Pilotensitz, bedient werden, wo der 24-Jährige saß.