Nach dem Skandal um GTS-Gutachter kündigt das Verkehrsministerium verdeckte Tests an. Foto: dpa-Zentralbild

Weil gegen verschiedene KFZ-Gutachter Ermittlungen laufen, hat das Land reagiert. Das Verkehrsministerium will alle Prüfgesellschaften im Land schärfer kontrollieren – bis hin zu verdeckten Testbesuchen.

Weil gegen verschiedene KFZ-Gutachter Ermittlungen laufen, hat das Land reagiert. Das Verkehrsministerium will alle Prüfgesellschaften im Land schärfer kontrollieren – bis hin zu verdeckten Testbesuchen.

Stuttgart - Der Auftakt könnte langwierig werden. Wenn heute am Landgericht der Prozess gegen einen 60 Jahre alten Kfz-Prüfer aus dem Raum Reutlingen seinen Lauf nimmt, werden 477 einzelne Fälle angeklagt sein. Das ist freilich nur ein Bruchteil dessen, was dem Mann vorgeworfen wird. Mindestens 8500 Fahrzeugen soll er die Plakette für die Hauptuntersuchung verliehen haben, ohne sie genau zu begutachten.

Die Anklage wirft ihm und mehreren Werkstattbesitzern aus dem Großraum Stuttgart vor, auf diese Weise viel mehr Autos durchgeschleust zu haben als normalerweise möglich. Damit sollen die Angeklagten viel Geld verdient haben. Und einige Autofahrer und Händler könnten gegen die Zahlung eines Aufschlags eine Plakette für ihr schrottreifes Auto bekommen haben. Mit dieser Masche war der Gutachter der Karlsruher Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) offenbar nicht allein. Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt gegen zwei weitere GTS-Prüfer, denen ähnliche Taten vorgeworfen werden – auch in diesen Fällen tausendfach.

Viel länger als der Stuttgarter Prozess werden deshalb seine Folgen für die Prüforganisationen im Land andauern. Denn das Verkehrsministerium als Aufsichtsbehörde hat jetzt reagiert und verschärft die Kontrollen. Dazu gehört nicht nur, dass alle Organisationen häufiger über ihre Arbeit berichten müssen. „Wir machen vermehrt Aufsichtsbesuche bis hin zu verdeckten Tests“, sagt Ministeriumssprecher Edgar Neumann. Das habe man den Unternehmen bereits mitgeteilt. Zudem wolle man sich auf Bundesebene für bessere Kontrollmöglichkeiten einsetzen, denn man glaube, dass „der Rahmen bisher nicht ausreicht, um eine richtige Überwachung zu gewährleisten“.

Die meisten Anbieter schreckt diese Nachricht nicht. Denn viele haben sich vor einigen Jahren bereits untereinander zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu kontrollieren. Zu diesem Netz gehören die Organisationen Tüv, Dekra, GTÜ, FSP und Gük. „Eine solche Qualitätssicherung, auch mit verdeckten Tests, ist für uns etwas Selbstverständliches“, sagt Vincenzo Lucà, Sprecher des Tüv Süd. Man sehe strengeren Kontrollen deshalb gelassen entgegen. Auch der Stuttgarter Dekra-Sprecher Wolfgang Sigloch sagt: „Das ändert nicht wirklich etwas. Dass wir gute Arbeit abliefern müssen, ist für uns nicht neu.“

Weiter unklar, wer zusätzliche Kosten trägt

Andere Gesellschaften dagegen sind nicht Teil dieses Qualitätsmanagements. Was die GTS und die Häufung der Fälle dort betrifft, hält sich das Ministerium als Aufsichtsbehörde noch zurück. Klar ist, dass das Unternehmen unter besonderer Beobachtung steht, zumal der jetzt angeklagte Gutachter bereits mehrmals zuvor auffällig geworden war. „Wir werden die Ergebnisse des Prozesses und der weiteren Ermittlungen bewerten“, sagt Neumann.

Nicht viel Neues gibt es aus dem Ministerium für die 8500 Autofahrer, die nach Aufdeckung des Falles mit ihren Fahrzeugen zur Nachuntersuchung mussten. Wer die zusätzlichen Kosten von jeweils 53 Euro trägt, ist nach wie vor offen. Die GTS hat bisher jede Schuld zurückgewiesen und stets betont, es habe keine Versäumnisse bei der Aufsicht über den Gutachter gegeben. „Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Kosten von der GTS zu bezahlen sind“, sagt Ministeriumssprecher Neumann.

Das Land hat bisher die Ansprüche der Fahrzeughalter als zentrale Anlaufstelle gesammelt – aber nicht bezahlt. Geplant ist, die Forderungen an die GTS weiterzureichen, sobald einige gerichtliche Verfahren entschieden sind. In ihnen geht es um Autofahrer, die das Karlsruher Prüfunternehmen direkt verklagt haben. Vom Ausgang dieser Prozesse macht das Land das weitere Vorgehen abhängig. Falls alle Stricke reißen, macht das Verkehrsministerium den Betroffenen aber Hoffnung: Zur Not werde das Land einspringen und die Kosten für die Nachuntersuchungen übernehmen. Das soll aber nur die letzte Lösung sein.

Diese Kosten sind allerdings nicht das einzige Problem für die 8500 betroffenen Autofahrer. Manchen von ihnen könnte noch weiteres Ungemach drohen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit, ob einige von ihnen von den Manipulationen gewusst und gezielt den angeklagten Prüfer ausgewählt haben, um eine Plakette für ihr Auto zu bekommen. „Wir überprüfen, ob und wo ein Anfangsverdacht vorliegt“, sagt Sprecherin Claudia Krauth. Von einer möglichen Anklage sei man allerdings noch ein ganzes Stück entfernt.

Möglicherweise kann der Prozess vor dem Landgericht auch in dieser Hinsicht neue Erkenntnisse bringen. Bei seinen Vernehmungen hat der geständige Kfz-Gutachter bisher angegeben, er habe vor allem den Autofahrern helfen wollen. Allerdings hat die Polizei bei der Festnahme über 200.000 Euro Bargeld bei ihm gefunden, dessen Herkunft die Ermittler der illegalen Prüftätigkeit zuordnen. Ob das so ist, muss sich während der Verhandlung zeigen. Angesetzt sind bisher zwölf Termine bis Ende Februar. Die Beteiligten werden einen langen Atem brauchen. /*