Elten John aus der UdSSR und Erich Honeckers Konterfei: Die Fundstücke bei der Plattenbörse waren durchaus kurios. Foto: Simone Bürkle

Bei einer Musikbörse der besonderen Art gab es Raritäten zu entdecken – zum Beispiel DDR-Klamauk.

Stuttgart-Degerloch - Richie ist fündig geworden. Stolz zieht er eine Schallplatte aus der schwarzen Plastiktüte, die er mit sich herumträgt. Gepresst wurde diese Scheibe im Jahr 1967. „Love ist blue“, steht in grellen Lettern auf dem Cover. Außerdem zeigt die Hülle eine junge Frau mit bunt bemalter Haut auf dem nackten Körper. Heutzutage würde man das, was Richie spöttisch in die Kategorie „Sie war jung und brauchte das Geld“ einordnet, vermutlich Body-Painting nennen.

Aber das Heutzutage spielt an diesem Samstag ohnehin keine große Rolle im SSB-Veranstaltungszentrum. Vielmehr ist die Börse in dem großen Saal auf der Waldau eine Hommage an das Gestrige – nämlich die Schallplatte. An die 100.000 der Vinylscheiben, feilgeboten von etwa 35 Hobby- und Profihändlern, warten an diesem Tag auf Käufer, schätzt Ulrich Lauber, dessen Düsseldorfer Agentur die Börse organisiert hat. Etliche der Platten wechseln im Laufe des Tages tatsächlich die Besitzer. So wie die, die Richie für sieben Euro ergattert hat. Für Schnäppchen wie das eben erstandene ist er aus Bad Cannstatt gekommen. Um die Musik geht es Richie allerdings nicht so sehr. Er sammelt die Platten wegen ihrer Cover. „Je schriller und ausgefallener, desto besser“, sagt er. Platten hat er immer geliebt, schon seit er neulich in einem Plattenladen in seinem Heimatbezirk ausgeholfen hat. „Neulich heißt, dass es 30 Jahre her ist“, sagt er und grinst.

„In der DDR musste man nehmen, was man kriegen konnte“

Dann zieht er aus der Box vor sich nacheinander Schallplatten des 70er-Jahre-Mädchenschwarms David Cassidy, der Les Humphries Singers mit einem sehr jungen Jürgen Drews im Pelzmantel auf dem Cover und von Costa Cordalis. „Der war mal Dschungelkönig bei RTL“, kommentiert Richie letztere Entdeckung. Stefan, der Verkäufer mit dem grauen Bart und den zum Pferdeschwanz gebundenen langen Haaren, nickt amüsiert. An seinem Stand gibt es wahrlich ausgefallene Waren. „In der DDR musste man nehmen, was man kriegen konnte“, sagt Stefan, der eigentlich Rock-Fan ist und aus dem Osten Deutschlands stammt, fast entschuldigend. Da wäre zum Beispiel die russische Pressung einer Elton-John-Platte. Oder die 1998 als DDR-Klamauk entstandene Scheibe der Band IFA Wartburg, mit Liedern wie „Frau Gorbatschowa tanzt Bossanova“ oder „Es ist nicht so schlimm auf der Insel Krim“. Vorn auf der Platte ist das Konterfei Erich Honeckers zu sehen, auf der Rückseite prangt ein Porträt der schwedischen Königin Silvia.

Doch so abstrus die Entdeckungen bei der Plattenbörse auch sein mögen – die meisten der überwiegend männlichen Besucher sind wahre Fans der Vinylscheiben. Stefan findet, „dass der Klang auf Schallplatten viel differenzierter ist, nicht so steril wie auf CDs“. Dass inzwischen wieder Plattenspieler im Handel angeboten werden und jede Menge junge Besucher zu seinen Börsen kommen, freut den Organisator Ulrich Lauber. Denn auch für ihn, der selbst viele Platten von den Beatles und den Rolling Stones zu Hause hat, gilt: „Platten haben einfach den besseren Sound.“