Bei den beiden Konzerten in Santiago standen mehr als 200 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne und hatten beim Singen und Tanzen viel Spaß mit ihrem Publikum Foto: privat

Die Sänger von Gospel im Osten haben vom Chortreffen in Santiago viele Eindrücke mitgebracht. Es war eine musikalische Begegnung und ebenso ein Zusammenkommen zweier unterschiedlicher Kulturen.

S-Ost - Santiago de Chile, Anfang Januar. In einem kirchlichen Veranstaltungszentrum in der Sechs-Millionen-Stadt treffen sich mehr als 250 Sängerinnen und Sänger, um für zwei große Konzerte nur drei Tage später zu proben. Wer fehlt, ist der Bassist der Begleitband. Entschuldigt hat er sich nicht, keiner weiß etwas. Eineinhalb Stunden nach dem eigentlichen Probenbeginn kommt der chilenische Musiker dann doch noch. „Ich musste ein wichtiges Gespräch mit meinem Sohn führen“, sagt er, nimmt seinen Bass und spielt. Für die Chilenen ist das kein Thema, sondern selbstverständlich – die Deutschen denken noch eine Weile darüber nach.

Unterschiedliche Möglichkeiten, ans Leben heranzugehen

Das ist nur eine von vielen Geschichten, die Thomas Dillenhöfer und Kathrin Grix vom Projektchor Gospel im Osten beim jüngsten Gospeltreffen in der chilenischen Hauptstadt erlebt haben und die noch nachwirken. „Ich muss nicht immer wissen, was morgen und übermorgen passiert“, fasst Kathrin Grix das zusammen, was sie für sich aus Chile mitgebracht hat. „Man muss nicht immer durchgetaktet sein.“ Und Chorleiter Thomas Dillenhöfer stellt fest: „Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, ans Leben heranzugehen. Und da muss man andere auch so lassen, wie sie sind.“ Allerdings habe er als Mitverantwortlicher für das Treffen sich in den ersten Tagen damit durchaus schwer getan.

Das internationale Gospelchor-Treffen in Chile war die Fortführung des ersten Treffens in Stuttgart im Sommer 2013. Damals waren Gospelchöre aus Santiago, St. Gallen in der Schweiz und Waldenbuch in den Stuttgarter Osten gekommen, um eine Woche lang gemeinsam zu proben und zu singen. Die Idee für ein zweites Treffen in Santiago war damals geboren worden.

Proben in Chile haben einen ganz speziellen Flair

Nach Chile reisten jeweils etwa 35 Sängerinnen und Sänger aus Waldenbuch und aus St. Gallen, Gospel im Osten war mit 70 Chormitgliedern vertreten. Dazu kamen 120 Sängerinnen und Sänger aus Santiago. Probenauftakt war am 3. Januar. Thomas Dillenhöfer war vor drei Jahren schon einmal in Chile und hatte also eine Ahnung von der anderen Kultur und Mentalität. Trotzdem hatte er im chilenischen Hochsommer bei 35 Grad im Schatten zunächst einmal mit seinen deutschen Gründlichkeitsansprüchen zu kämpfen. „Auf dem Plan stand, Probenbeginn 16 Uhr. Aber da sagt dann jeder erst einmal jedem Hallo und das dauert dann so lange, wie es eben dauert“, erzählt er. „Richtig angefangen haben wir dann erst um halb acht.“ Aber – und die Erfahrung haben Dillenhöfer und Kathrin Grix auch gemacht: „Es klappt dann doch immer irgendwie.“

Nach fünf Tagen – für tagsüber hatten die chilenischen Gastgeber ein Ausflugsprogramm organisiert, geprobt wurde abends – sollte der international gemischte Chor ein Programm für zwei Konzerte vor großem Publikum einstudiert haben. Grix: „Am Anfang war das bei den Proben schon komisch. Aber irgendwie hat man sich nach zwei Tagen umgewöhnt.“ Auch der Chorleiter konnte nach einigen Tagen zumindest etwas loslassen: „Dann konnte ich sagen: Jetzt ist gut, habt euren Spaß.“

Allerdings hatten beide kurz vor Beginn des ersten Konzerts mit erwarteten 2000 Zuhörern dann doch noch einmal ein flaues Gefühl im Magen: Der Saal war zehn Minuten vor Beginn noch praktisch leer. Grix: „Aber ab fünf Minuten vorher sind sie dann von allen Seiten geströmt.“ Und genau so schnell, wie der Saal voll war, tanzten die ersten Besucher schon, kaum hatte der Chor angefangen zu singen. Das hat dann Thomas Dillenhöfer und Kathrin Grix schwer beeindruckt: „Die Begeisterungsfähigkeit der Chilenen, ihrer Körperlichkeit beim Tanzen, ihre Musikalität, das ist schon toll! Da tun wir Deutschen uns doch eher schwer.“