Angela Phillips an einem Bungee-Seil des Musicals „Tarzan“ im Palladium-Theater Foto: Stage Entertainment/Jan Potente

Tarzan, der über 100 Jahre alte Lianenjunge, erlebt den Dschungel wie nie zuvor: Die Disney-Show, die am 16. November ihr Comeback feiert, will mit 3-D-Animationen und digital gesteuerten Flügen noch mehr begeistern.

Längst stößt die Kunst großer Meister dank immersiver Ausstellungen in neue technische Dimensionen vor. Das menschliche Auge lässt sich mit digitaler Technik und neuartiger 3-D-Animation auf wunderbare Weise täuschen. Unvergessen sind in Stuttgart die Seerosen von Claude Monet, in die man in der Schleyerhalle gefühlsecht eintauchen konnte, um sich einem Rausch der Sinne voller Genuss zu ergeben.

Nicht allein dem Franzosen Monet sollen die immersiven Freuden vergönnt sein – auch der Dschungeljunge Tarzan aus Afrika dürfte bald seinen Augen nicht trauen. Für das nach ihm benannte Disney-Musical mit Hits von Phil Collins , das am 16. November im Palladium-Theater seine zweite Stuttgart-Premiere feiert, will die Stage Entertainment alles noch unglaublicher machen.

Hinter dem statischen Bühnenbild wird eine 16 auf zehn Meter große LED-Wand stehen, die mit Tempo und täuschend echt wirkender Tiefe das Publikum direkt in den Dschungel hineinziehen soll. Diese technischen Wundermittel gab’s 2013 noch nicht, als die Show zum ersten Mal auf die Filder kam und fast drei Jahre blieb.

Die Lianen sind in Wahrheit Bergsteigerseile

Danach wechselte die Produktion nach Oberhausen, wo bis 2018 gespielt worden ist. Seitdem waren Tarzan und seine Musical-Affen in der Original-Disney-Version nirgendwo mehr in Deutschland zu sehen. Beim Comeback in Stuttgart soll alles noch besser werden. Auch die Flüge über den Köpfen der Zuschauer hinweg sowie die Bungeesprünge von der Decke hinab werden mit digitaler Hilfe neu und anders inszeniert.

Für die Show entwickelte der Designer Pichón Baldinu spezielle Fluggurte, die für jedes Ensemblemitglied maßgeschneidert werden. Alle Mitwirkenden rund um Tarzan können sich damit um 360 Grad in der Luft an ihren Lianen drehen. „Meine Vision war es, einen Flugmechanismus zu entwickeln, der es allen ermöglicht, sich natürlich in der Luft zu bewegen“, sagt Baldinu, „ich wollte von statischen Sequenzen wegkommen, damit Charisma, Ausdruck und Emotion besser zur Geltung kommen.“

Früher waren die Flugwerke bei „Tarzan“ als „Flaschenzüge eingeseilt“, erklärt Clemens Weissenburger, der technische Supervisor. Heutzutage arbeitet die Stage vor allem mit Software. „Gerade befinden wir uns im Prozess des Technikchecks“, erklärt er, „das heißt, wir nehmen die gesamte Technik, das Flugwerk und die dazugehörigen Komponenten wie Bungees, Seile und Schienen in Betrieb, testen und programmieren sie.“

Die Lianen sind in Wahrheit Bergsteigerseile, mit denen sich die Darstellerinnen und Darsteller sechs Meter pro Sekunde bewegen können. Den großen technischen Aufwand soll das Publikum aber gar nicht im Detail erkennen, sondern sich von der Urwaldgeschichte, der Magie, der Liebe von Tarzan und Jane verzaubern lassen.

Mit den Lizenzgebern von den 100 Jahre alten Entertainmentkönigen von Disney hat die Stage die Geschichte „weiterentwickelt“, wie Henning Langhoff, der Executive Producer, sagt. In der neuen Inszenierung hat Jane in der Zwischenzeit Karriere gemacht. Sie ist nun Leiterin der Expedition im Urwald, nicht nur die Tochter des Professors. Damit wollen die Musicalmacher die Rolle einer starken Frau beim Comeback noch stärker machen.

Die beiden Hauptdarsteller kommen aus den Niederlanden

„Ich Tarzan – du Jane!“ Diese vier Worte zählen zu den bekanntesten Zitaten der Filmgeschichte. Der amerikanische Schriftsteller Edgar Rice Burroughs ahnte bestimmt nicht, als er 1912 den Abenteuerroman „Tarzan bei den Affen“ schrieb, dass daraus mal ein Klassiker der Weltliteratur werden sollte, der bis heute etwa 90-mal verfilmt worden ist. Erzählt wird die Geschichte eines Babys, dessen schiffbrüchige Eltern an der Küste von Westafrika sterben und das von Affen großgezogen wird.

Das Musical dazu feierte 2006 in New York Premiere. Zwei Holländer sind das neue Traumpaar des Stuttgarter Dschungels: Terence van der Loo (er war mal Karatemeister der Niederlande) als Tarzan, Vajèn van den Bosch als Jane. Das gesamte Ensemble hat die ersten Flugübungen im Kletterpark des Schmellbachtals im Rohrer Wald absolviert – in der „Fitnesswoche“, die der Kondition diente. Die Show verlangt sportliche Höchstleistungen, ist abenteuerliche Akrobatik. „Der Vorverkauf läuft super“, freut sich Stephan Jaekel, der Unternehmenssprecher der Stage Entertainment, „es zeichnet sich ab, dass wir an den Vorverkaufserfolg der ersten Spielzeit anknüpfen.“

Tarzan und Jane führen vor, dass es für Liebe keine Worte braucht. Die Disney-Show ist aber gleichzeitig auch ein Plädoyer für die Familienbande, für Tiere, die „niemals so brutal sind wie der Mensch in seiner Habgier“, wie Janes Vater auf der Bühne feststellt. Schwätzet die Affen auch diesmal wieder schwäbisch? Als Reverenz an Stuttgart hatten die Musicalmacher in der ersten Spielzeit zwei landestypische Sätze in die klassische Story eingebaut. „Heilix Blechle“, rief plötzlich ein Gorilla – und dann auch noch: „’s Äffle isch heut net dahoim.“

Bald ist’s wieder auf den Fildern daheim.