Die Belgier können nun die ersten Muscheln aus dem eigenen Land genießen, verspricht die Werbung der Einzelhandelskette Colruyt. Der Satz ist typisch belgisch, eine Mischung aus Flämisch und Französisch. Foto: Krohn/Krohn

Muscheln sind in Belgien eine beliebte Delikatesse. Bis jetzt müssen die Tiere allerdings alle importiert werden. Doch nun hat die erste Muschelfarm des Landes eröffnet.

Pommes, Bier und Schokolade – in diesen drei kulinarischen Disziplinen gehört Belgien zur Weltspitze. Weniger bekannt ist, dass Flamen und Wallonen auch zu den fleißigsten Muschelessern Europas zählen. Laut Statistik landen pro Kopf jedes Jahr weit über zwei Kilo auf den Tellern. Die Sache hat allerdings einen Haken: die Muscheln müssen alle importiert werden, was am Selbstbewusstsein der Belgier kratzt. An der nur rund 65 Kilometer langen Nordseeküste befand sich bis jetzt nicht eine einzige Zuchtstation. Die Restaurants versorgten sich vor allem mit frischen Muscheln aus niederländischen Gewässern.

Die erste Ernte ist eher bescheiden

Die belgische Supermarktkette Colruyt hat diese Versorgungslücke nun geschlossen. Bereits Ende 2022 wurde von dem Unternehmen die „Meeresfarm Westdiep“ vor den Gestaden der Hafenstadt Nieuwpoort gebaut. In diesen Tagen wurde nun die erste, sehr bescheidene Ernte eingebracht. „Es sind etwa 10 bis 15 Tonnen“, sagte Stefan Goethaert, Chef der Colruyt Group. In den kommenden Jahren will der Konzern den Ertrag systematisch steigern. Für die „Zeeboerderij Westdiep“ wurden insgesamt 50 Bojen installiert, die an langen Ketten im Meeresboden verankert sind, an denen die Muscheln wachsen. Stefan Goethaert betont, dass diese Technik viele Vorteile habe. So böten die im Wasser hängenden Ketten Schutz für Fische und andere Seetiere, was gut für die Biodiversität in der Region sei. Zudem werde bei der Ernte nicht der Seegrund zerstört.

Heftiger Streit um die Muschelfarm

Doch nicht alle Beteiligten sind für diese guten Argumente empfänglich. Wie immer in Belgien ging die Entwicklung nicht ohne heftigen Streit über die Bühne. Die Bürger der Stadt wehrten sich lange gegen die Muschelfarm. Sie glauben, dass sich die Anlage rund zwei Kilometer vor der Hafenausfahrt negativ auf den Tourismus und die lokale Fischerei auswirke. Doch alle Klagen wurden abgewiesen und das umstrittene Projekt am Ende im fernen Brüssel genehmigt.

Sehr saftig und etwas bitter

Zur ersten Verköstigung reiste sogar der für die Nordsee zuständige Minister Vincent Van Quickenborne persönlich nach Nieuwpoort. „Endlich hat das Land der Muschelesser seine eigenen Muscheln“, frohlockte der Politiker. Und der belgische Spitzenkoch Seppe Nobels assistierte dem Minister mit der fachkundigen Aussage: „Sie haben eine feste Konsistenz und sind sehr saftig.“ Am Ende hätten sie eine unerwartete Bitterkeit, fügte der mehrfach prämierte Küchenmeister hinzu und kam zu dem Schluss: „Sehr einzigartig und sehr lecker.“ Ganz billig ist die erntefrische belgische Delikatesse aus der Nordsee allerdings nicht. Sie kostet deutlich über zehn Euro das Kilo, das ist etwa drei Mal so viel wie die Konkurrenz aus den Niederlanden.