Muhterem Aras freut sich über ihren Wahlerfolg. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Mit einem Ergebnis von 42,4 Prozent erzielt Muhterem Aras für die Grünen das beste Ergebnis aller Direktkandidaten bei der Landtagswahl. Ihr Erfolgsgeheimnis liegt in ihrer Bodenständigkeit.

Stuttgart - Am Tag nach der Landtagswahl scheint Muhterem Aras immer noch vor Energie zu sprühen: „Ich bin gegen 1 Uhr nach Hause gekommen, aber ich konnte nicht schlafen“, sagt die Landtagsabgeordnete der Grünen. Bis um halb sechs in der Früh habe sie Glückwunsch-SMS und E-Mails beantwortet, nun muss sie ein Interview nach dem anderen geben. Doch von Müdigkeit keine Spur: „Der Wahlkampf war zwar stressig, aber ich habe durchweg positive Erfahrungen gemacht“, sprudelt es aus der Stimmenkönigin heraus. Am Wahlsonntag kam noch eine positive Erfahrung hinzu. Muhterem Aras erzielte in ihrem Wahlkreis Stuttgart I mit 42,4 Prozent wie vor fünf Jahren das beste Ergebnis aller Direktkandidaten.

Ein Wahlerfolg, der nicht von ungefähr kommt. Denn Aras ruhte sich nach ihrem Erfolg im Jahr 2011, als sie als erste Muslima Landtagsabgeordnete wurde, nicht auf ihren Lorbeeren aus. „Mein Erfolgsgeheimnis liegt vielleicht darin, dass ich viel in meinem Wahlkreis unterwegs bin, nicht nur im Wahlkampf“, sagt die 50-Jährige. Die selbstständige Steuerberaterin wohnt mit ihrer Familie im Stuttgarter Westen, ihr Steuerberatungsbüro liegt in Stuttgart-Mitte. Sie hält es für wichtig, dass die Wähler sie kennenlernen. Dabei komme es nicht darauf an, ihnen nach dem Mund zu reden, findet Aras: „Es geht um eine klare Haltung.“

Für ihren Erfolg hat Muhterem Aras hart gearbeitet

Es geht aber auch um Fleiß. Im Wahlkampf lief Aras von Haustüre zu Haustüre und verteilte Äpfel – von 6.30 Uhr bis spät in den Abend war sie unterwegs, auch bei Regen und Wind. „Ich habe in zwei Stunden an 130 Haustüren geklingelt. Davon haben maximal nur ein bis zwei Leute negativ auf mich reagiert.“

Stolz sei sie auf ihren „weltoffenen Wahlkreis“, in dem sie trotz ihres biografischen Hintergrunds punkten konnte, während die AfD mit 7 Prozent ein vergleichsweise schwaches Ergebnis erzielte. Sie deutet das als Signal, dass „man mit Fremdenhass hier nicht gewinnen kann“. Aras wurde in Ostanatolien geboren und kam 1978 mit ihrer Familie nach Filderstadt – ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Was dann folgte, kann man nur als Musterbeispiel für gelungene Integration bezeichnen. Aras machte einen guten Schulabschluss, holte ihr Abitur nach und studierte Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hohenheim. Seit 1999 hat sie ihr eigenes Steuerberatungsbüro. Für ihren Erfolg hat sie hart gearbeitet.

Werner Wölfle lobt die „gelassene Liebenswürdigkeit“ seiner Weggefährtin

Auch Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle, der sich mit ihr von 2007 bis 2011 den Fraktionsvorsitz teilte, freut sich „diebisch, dass Muhterem und ihre Familie den Beweis antreten, wie Einwanderer ein Land bereichern können“. Richtig ins Schwärmen gerät Wölfle, wenn es um seine Weggefährtin geht, die ihn „Abi“ nennt, was auf türkisch „großer Bruder“ bedeutet: „Sie bringt ihre verschiedenen Aufgaben als erfolgreiche Unternehmerin, Politikerin und Mutter mit einer gelassenen Liebenswürdigkeit unter einen Hut.“ Von ihrer Bodenständigkeit habe sie sich trotz ihrer Erfolge nie entfernt. Ihr Fleiß und ihre Bodenständigkeit sind Tugenden, die bei den Schwaben offensichtlich gut ankommen.

Ein Grundstein ihres Erfolges ist nach Wölfles Ansicht aber auch die Unterstützung ihrer Familie. „Ihr Mann unterstützt sie und steckt auch mal zurück – darin entsprechen sie ebenfalls kaum dem türkischen Klischee.“ Ehemann Sami Aras, Vorstandsvorsitzender im Forum der Kulturen, gratulierte am Wahlsonntag als Erster. Muhterem Aras Eltern hatten im Wahlkampf unermüdlich Tüten mit Äpfeln für die Wähler gepackt. Und ihre 18-jährige Tochter und ihr 14-jähriger Sohn fieberten mit der Mutter mit. „Mein Sohn wollte unbedingt, dass ich das Direktmandat bekomme und kein peinliches Ergebnis. Er war aufgeregter als ich“, sagt Aras mit einem Schmunzeln. Dass sie in den vergangenen Wochen nur Gast in ihrem eigenen Zuhause war, räumt sie ein.

Die Themen Bildung und frühkindliche Entwicklung liegen Muhterem Aras am Herzen

Doch auch mit dem Problem, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist sie nahe bei ihren Wählern. Neben der Finanzpolitik, für die sie in den vergangenen fünf Jahren zuständig war, liegen ihr deswegen auch die Themen Bildung und frühkindliche Entwicklung am Herzen: „Familien sollen die Wahl haben, wie sie ihre Kinder betreuen.“ Sie habe sich damals ihr Kind kurzerhand zum Stillen in den Gemeinderat bringen lassen. Heute will sie für bessere Betreuungsmöglichkeiten kämpfen.

Welche Rolle sie allerdings künftig im Landtag übernehmen soll, ist noch offen. Falls ihr ein Ministeramt angeboten wird, will sie darüber nachdenken.