Statt klassisch auf dem Laufsteg präsentieren sich die märchenhaften Wesen in vielen Ecken der Karlskaserne. Foto: Dambacher-Schopf

In ihre Kindheitsträume steckt Künstlerin Justyna Koeke ältere Frauen. Die Lebensfreude und der Stolz, den die Models im besten Alter zeigen, begeistert die Besucher des Festivals Viel-Falten.

Ludwigsburg - Der Sonntag ist grau und regnerisch. Anders als geplant kann die Modeschau „Prinzessinnen und Heilige“, die auf dem Programm des Festivals Viel-Falten steht, nicht im Hof der Karlskaserne stattfinden. Doch das macht den Auftritt der älteren Frauen, die in den knallbunten Kostümen stecken umso origineller. Die B-Lösung, die Künstlerin Justyna Koeke kurzerhand mit dem Organisationsteam der Tanz- und Theaterwerkstatt findet, lautet: „Machen Sie sich auf Entdeckungsreise.“ Statt klassisch auf dem Laufsteg präsentieren sich die märchenhaften Wesen in vielen Ecken der Karlskaserne. Es geht über die kleine Bühne in die Hinterräume und zu den überdachten Bereichen des Innenhofs.

„Das Schön-sein-Wollen vergeht mit dem Alter nicht“

Jede der zumeist ergrauten Damen strahlt unter ihrem opulenten Kopfschmuck oder schaut selbstsicher und stolz in den recht farblosen Räumen. „Das Schön-sein-Wollen vergeht mit dem Alter nicht“, sagt Justyna Koeke, die sie selbst in einem mächtigen Kostüm steckt. „Als meine Schwester und ich kleine Kinder waren, wollten wir hübsch wie eine Prinzessin sein oder wenn nicht schön, dann zumindest so gut wie eine Heilige.“ Damals, als die Mädchen, die in Polen aufwuchsen und zwischen vier und sieben Jahren alt waren, haben sie ihre Träume auf Papier umgesetzt. „Meine Mutter hat alle Zeichnungen aufbewahrt“, sagt sie. Und daraus sind die fantasievollen Gewänder entstanden, die heute den Besuchern ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

„Ich will die Vorstellungen der Kindheit auf die Realität treffen lassen“

Dass Mädchen von klein auf zum Gefallen sozialisiert werden, sieht sie aber auch als Problem. Sie lässt ältere Frauen in Kindheitsträume schlüpfen. „Ich will die Vorstellungen der Kindheit auf die Realität treffen lassen – aber in einer positiven Art und Weise.“ Für den Betrachter transportiert sie damit vor allem die Lebensfreude der Frauen, die in den Kostümen stecken – und auf die kommt es doch eigentlich an.

Mit bunten Kostümen gegen Zwangsprostitution

Die Ludwigsburger Künstlerin bezeichnet sich selbst heute als Feministin. Deshalb sollen ihre Kostüme auch den Kampf gegen Zwangsprostitution unterstützen. Bei der Veranstaltung „Galateas“ am Freitag, 12. Mai, im Nord (Schauspielhaus Stuttgart) werden die verrückten Kostüme und weitere Kunstwerke von Justyna Koeke verkauft. Galateas ist die Auftaktveranstaltung einer Crowdfunding-Kampagne, bei der Gelder für den Ausstieg von Prostituierten in Stuttgart gesammelt werden.