In einer Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Burbach haben sich private Sicherheitsleute bei der Misshandlung von Asylbewerbern fotografieren lassen. Ein Handy-Foto zeigt einen Uniformierten, der einem auf dem Boden liegenden und gefesselten Mann den Stiefel in den Nacken stellt. Foto: Getty

Flüchtlinge, die aus Syrien und anderen Krisengebieten der Welt derzeit nach Deutschland kommen, suchen den Schutz vor Verfolgung und Misshandlung. Aber wie sicher sind sie wirklich?

Stuttgart - Wie viele Menschen sind in den Asylbewerberheimen untergebracht, und weshalb müssen diese Unterkünfte bewacht werden?
Seit Jahresbeginn haben mehr als 115 000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt für Migration verteilt die Asylbewerber auf die verschiedenen Bundesländer. Einige Erstaufnahme-Einrichtungen sind sehr überfüllt. Das führt zu Konflikten zwischen den Bewohnern, die zum Teil aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Deshalb greifen die Betreiber auf die Dienste privater Sicherheitsfirmen zurück. Wenn es allerdings um Straftaten geht oder darum, die Bewohner vor Gewalt von außen – etwa durch Neonazis – zu schützen, muss die Polizei anrücken.
Wer betreibt die meisten Heime?
Für die langfristige Unterbringung nach der Erstaufnahme sind die Kommunen in Abstimmung mit der Landesregierung zuständig. Einige Bezirksregierungen – zum Beispiel in Bayern – heuern zwar private Sicherheitsfirmen an, die Unterkünfte betreiben sie aber selbst. In Hamburg kümmert sich die städtische Gesellschaft „fördern und wohnen“ um die Betreuung der Flüchtlinge. „Der Einsatz von Privaten kommt für uns nicht infrage“, sagt ein Sprecher der Sozialbehörde. In Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern werden einige Flüchtlingsheime von Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz oder den Maltesern betrieben, andere von privaten Unternehmen.
Wie viele Unterkünfte betreibt die Firma European Homecare (EHC), in deren Einrichtungen jetzt wegen des Verdachts der Misshandlung von Flüchtlingen durch Wachleute ermittelt wird?
Diese Firma organisiert nach eigenen Angaben bundesweit die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in 40 Einrichtungen. Für die Bewachung der Gebäude holt sie externe Sicherheitsfirmen ins Haus.
Wie viele Flüchtlings-Einrichtungen hat der Südwesten derzeit?
Seit Jahresbeginn hat Baden-Württemberg rund 13 400 Flüchtlinge aufgenommen, vor allem aus Syrien, den Balkanländern und dem afrikanischen Gambia. Grün-Rot hat auf den massiven Zustrom und die Überfüllung der Landesaufnahmestelle Karlsruhe reagiert und zusätzliche Standorte für die Erstaufnahme und Unterbringung der Menschen ausgewiesen. Insgesamt gibt es derzeit 14 landeseigene Einrichtungen. In elf von ihnen ist das Land selbst der Betreiber. Die drei anderen (Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg) werden von EHC betrieben. In allen 14 Flüchtlingseinrichtungen in Baden-Württemberg gibt es private Sicherheitsdienste.
Was macht EHC?
Ein Sprecher von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) betonte am Montag, die Firma EHC sei in den drei Einrichtungen zwar der Betreiber, nicht aber im Sicherheitsdienst tätig. Das Land habe bei der Firma vielmehr „Dienstleistungen eingekauft“, unter anderem im Bereich Hausverwaltung, Kleiderkammer, Zimmerzuteilung, Catering und Pfortendienste. Laut Regierungspräsidium Karlsruhe, das in Baden-Württemberg für die Flüchtlingsthematik zuständig ist, sei es das Ziel, dass künftig alle organisatorischen Aufgaben durch einen eigenen Mitarbeiter des Regierungspräsidiums erledigt werden. Derzeit sei dies aber „nicht lösbar“.
Wie werden die Sicherheitsfirmen ausgewählt?
Das Regierungspräsidium entscheidet per Ausschreibung oder Zuteilung und nach Rücksprache mit der Polizei, welche private Sicherheitsfirma den Zuschlag am jeweiligen Standort erhält. Allerdings dürfen die Mitarbeiter keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen, sondern müssen bei Problemen die Polizei alarmieren. Wie ein Sprecher des Regierungspräsidiums am Montag sagte, müssen die Firmen über eine Zulassung nach Paragraf 34 der Gewerbeordnung verfügen. Diese Lizenzen werden durch die Stadtkreise oder Landratsämter vergeben.
Wie reagiert Baden-Württemberg auf die Vorkommnisse in Nordrhein-Westfalen?
Nachdem die Firma EHC und Subunternehmer von ihr im Verdacht stehen, dass eigene Mitarbeiter an mindestens drei Standorten in Nordrhein-Westfalen Flüchtlinge misshandelt haben sollen, meldete sich Integrationsministerin Öney am Montag zu Wort. Zwar seien im Südwesten „bisher keine Berichte über Vorkommnisse dieser Art aus den Notunterkünften bekannt“, dennoch will Grün-Rot vorbeugen. Die Betreiber und privaten Sicherheitsfirmen der 14 Einrichtungen müssen bestätigen, dass sie die geltenden Standards gerade im sozialen Bereich einhalten; zudem müssen die Führungszeugnisse der Mitarbeiter nochmals vorgelegt werden. Die Sicherheitsfirmen sollen täglich Berichte über „sicherheitsrelevante Vorkommnisse“ vorlegen; darüber hinaus wird die Polizei ihre Präsenz im Umfeld der Unterkünfte verstärken.
Wie geht es weiter?
SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel kündigte eine parlamentarische Initiative an, mit der die EHC-Aktivitäten im Südwesten unter die Lupe genommen werden sollen. „Hohe Standards bei der Qualität wie auch die hoheitliche Gesamtverantwortung sind unabdingbar“, sagte er und betonte: „Die Vergabepraxis mus auf den Prüfstand und künftig an strenge Regeln geknüpft werden.“Auch die Vorsitzende des Flüchtlingsrats, Angelika von Loeper, kritisierte: „Wir können nicht gutheißen, dass diese Aufgaben an private Sozialunternehmen oder Security-Firmen übertragen werden. Die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen ist eine hoheitliche Aufgabe und sollte deswegen in staatlichen Händen bleiben.