Kretschmann besucht die Schweiz und trifft dort Bundespräsident und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (re). Foto: dpa

Das Brexit-Votum der Briten ist nach den Worten des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) ein „schwarzer Freitag für Europa“.

Zürich - Im ersten Moment fühlt sich Winfried Kretschmann wie im falschen Film, dann aber wird ihm die Wahrheit klar. „Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet, dass der Brexit kommt und habe gedacht, dass 52 Prozent für einen Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt haben.“ Von wegen. Das Gegenteil ist der Fall. Und Kretschmann will es auf seiner zweitägigen Dienstreise in der Schweiz erst einmal nicht glauben. Wochenlang hatte der Ministerpräsident vor einem Austritt des Insel-Staates gewarnt, hatte mit Blick auf die Flüchtlingskrise und die anderen weltweiten Konflikte vor „einer Krise hinter der Krise“ gewarnt. Nun ist sie da. Und hat ihr erstes Opfer: Großbritannien. Der überzeugte Europäer macht aus seinem Entsetzen am frühen Freitagmorgen bei einer Zugfahrt von Bern nach Zürich keinen Hehl: „Das ist ein schwarzer Tag für Europa. Die Auswirkungen auch für Baden-Württemberg sind noch gar nicht absehbar.“ Nachdem die „hemmungslose Demagogie“ der EU-Gegner erfolgreich sei, müssten die „besonnenen Kräfte in der EU“ jetzt zusammenrücken: „Wir brauchen jetzt eine Debatte, wie Europa in der Zukunft aussehen soll.“

Kretschmann ist ratlos

Kretschmann ist sichtlich erschüttert, auch ein wenig ratlos. Er weiß nur zu gut, dass viele Menschen im Staatenbund das Vertrauen in Europa und die Lösung der Probleme verloren hätten. Die Flüchtlingskrise sei ein prominentes Beispiel, und der Brexit, „dieses epochale Ereignis“, könne den Zerfall der EU nun weiter beschleunigen. „Es besteht die reale Gefahr, dass es Nachahmer geben wird.“ Sprich, dass auch andere Länder an einen Ausstieg denken. Die Rechtspopulisten in den Niederlanden haben entsprechendes bereits angekündigt. „Wir brauchen deshalb eine Debatte über die Zukunft von Europa. Die darf aber nicht nur von Diplomaten geführt werden“, die Bürger müssten weit mehr als bisher beteiligt sein.

Parallel dazu müssten tragende politische Kräfte wie Deutschland und Frankreich das Heft nun in die Hand nehmen. „Europa muss in dieser fragilen Situation jetzt mehr denn je zusammen stehen.“ Der Ministerpräsident kündigt für Baden-Württemberg an, er wolle bereits in den nächsten Tagen „mit den europafreundlichen Parteien im Landtag“, also CDU, SPD, FDP und seinen Grünen, intensive Gespräche führen, an deren Ende eine „Resolution“ stehen soll, mit der sich der Südwesten klar zu der EU bekennen will. „Wir sind ein exportstarkes Land. Es gilt jetzt ein Zeichen zu setzen. Denn wir dürfen das Feld nicht länger den Rechtspopulisten überlassen.“