Mietervereinschef Rolf Gaßmann sind schwarze Schafe unter Maklern und Vermietern ein Dorn im Auge Foto: Leif Piechowski

Der Mieterverein Stuttgart schickt derzeit so viele Abmahnungen an Makler , dass sie fast einen Aktenordner sprengen. Bei den Rügen geht es um illegale Gebühren zu Lasten der Mieter. Aber nicht nur Makler, auch manche Vermieter sind findig, wenn es darum geht, ihre Mieter zur Kasse zu bitten.

Stuttgart - Direkt nach dem Studium erhielt die junge Berlinerin, die aus Angst vor ihrem Ex-Vermieter ungenannt bleiben möchte, im Jahr 2014 einen Arbeitsplatz in Stuttgart. Bereits einen Monat später sollte die 29-Jährige ihren Job antreten. In einer Wohngemeinschaft am Neckartor fand sie trotz der angespannten Lage auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt ein Zimmer. „Der Hauseigentümer vermietete allerdings nur unter der Voraussetzung an mich, dass ich eine Bearbeitungsgebühr von knapp 200 Euro entrichte“, sagt die 29-Jährige. Und sie bezahlte, da sie auf das Zimmer angewiesen war. Ein Jahr später zog sie aus – und beschwerte sich beim Mieterverein.

„Die Gebühr war nicht rechtens“, sagt Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart. Er sieht darin eine verkappte Maklergebühr. Die durften Vermieter noch nie kassieren. Und mittlerweile können auch Makler diese Gebühr nicht mehr ohne weiteres vom Mieter verlangen. Denn seit vergangenem Juni gilt das sogenannte Bestellerprinzip. Das besagt, dass derjenige, der den Makler beauftragt, die Courtage bezahlen muss. „Ist das der Vermieter, nehmen die Makler statt zwei nur noch eine Monatsmiete“, sagt Ulrich Wecker, Geschäftsführer des Stuttgarter Haus- und Grundbesitzervereins. Er hat festgestellt, dass die Geschäfte der Makler seit der Gesetzesänderung rückläufig sind, da viele Wohnungseigentümer seither ihre Wohnung nicht mehr über den Makler, sondern selbst vermieten, um die Courtage zu sparen.

Abmahnungen füllen Aktenordner

„Deshalb suchen einige Makler gezielt neue Schlupflöcher“, ist Gaßmann überzeugt und blättert in seinem dicken Aktenordner, in dem die Fälle abgeheftet sind, in denen der Mieterverein abgemahnt hat: Eine Abmahnung verschickten die Anwälte, weil eine Immobilienmaklerin im Internet inseriert hatte, dass sie die Vermittlung von Wohnungen für Vermieter generell gratis abwickelt. Sie hat bereits eine Unterlassungserklärung unterzeichnet. Ebenfalls eine Unterlassungserklärung abgegeben hat ein Makler, der vom Vermieter vor dessen Einzug rund 1000 Euro Renovierungspauschale für den Vermieter verlangte. „Das ist nicht korrekt“, stellt Gaßmann fest. Er geht davon aus, dass mit dem Betrag die Maklergebühr bezahlt werden sollte.

Die Immobilienabteilung einer Bank hat noch einen Monat nach In-Kraft- Treten des Bestellerprinzips eine Provision von zwei Monatsmieten erhoben. „Die Verantwortlichen haben sich allerdings damit rausgeredet, dass im Inserat nicht erwähnt worden sei, wer die Provision zu zahlen hat“, sagt Gaßmann, für den klar ist, dass der Mieter zur Kasse gebeten werden sollte. „Beweise dafür hatten wir leider nicht“, räumt er allerdings ein. Ein weiterer Makler hat wie der Vermieter der jungen Berlinerin, die nach Stuttgart gezogen ist, eine Bearbeitungsgebühr von rund 300 Euro einbehalten. Auch von ihm liegt dem Mieterverein mittlerweile eine Unterlassungserklärung vor.

Mieterverein auf Zeugen angewiesen

Auf der Suche nach Mietern, die zu Unrecht abkassiert werden, ist der Mieterverein in einem Studentenwohnheim im Stuttgarter Stadtteil Vaihingen. Dort sollen Studenten nur dann einen Mietvertrag erhalten, wenn sie einen Servicevertrag für einmalig 470 Euro abschließen. „Zunächst waren Servicevertrag und Mietvertrag aneinander gekoppelt. Nachdem wir das abgemahnt haben, wird der Servicevertrag offiziell ‚optional‘ angeboten“, sagt Gaßmann. Die Realität sieht anscheinend jedoch anders aus: Studenten in dem Heim, die aus Angst vor Scherereien mit dem Vermieter anonym bleiben wollen, bestätigen gegenüber unserer Zeitung, dass sie „keine andere Wahl“ hatten, als den Servicevertrag abzuschließen und die 470 Euro zu bezahlen. So hat nach eigener Auskunft eine 18-jährige Studentin aus dem Bodenseeraum, die den Servicevertrag nicht abschließen wollte, das angebotene Zimmer zunächst nicht bekommen. Als ihr Vater anrief und versicherte, den Servicevertrag doch zu unterschreiben, konnte seine Tochter im Oktober 2015 einziehen. „Das Ganze wurde fernmündlich ausgehandelt, so dass es keinen schriftlichen Beleg gibt“, sagt die 18-Jährige und stellt fest, dass der Servicevertrag das Papier nicht wert sei, auf dem er gedruckt sei. „Für einen Euro kann man zum Beispiel ein Bügeleisen ausleihen oder in Shops einkaufen, die es nicht gibt.“ Eine Kommilitonin der 18-Jährigen, die bereits seit gut einem Jahr, also vor Wirksamwerden des Bestellerprinzips, in dem Wohnheim lebt, brauchte keinen Servicevertrag abzuschließen. „Dafür musste ich rund 600 Euro Maklergebühr bezahlen“, sagte sie unserer Zeitung. „Um dagegen vorgehen zu können, brauchen wir Zeugen. Bislang war kein Student unter Nennung seines Namens zur Aussage bereit.“

Der Berlinerin geht der Streit mit ihrem Ex-Vermieter ums Geld – mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Bearbeitungsgebühr, sondern auch um die Rückerstattung von 150 Euro Kaution – an die Nieren. Nachdem der Vermieter ihr per Mail gedroht hat, sie „auf eine Schwarze Liste für Vermieter“ setzen zu lassen, überlegt die 29-Jährige, ob sie auf ihr Geld verzichten soll. „Es gibt keine Schwarze Liste für Vermieter“, sagt Gaßmann. Aber genau darauf, dass die Mieterin auf ihr zustehende Rückzahlungen verzichte, spekuliere der Vermieter mit seinen Einschüchterungsversuchen.