„Für mich schließt sich da ein Kreis, mein langjähriger Mentor Jiri Grusa war bereits einmal Träger des Chamisso-Preises, außerdem habe ich selbst schon einmal den Förderpreis bekommen“, sagt Michael Stavaric. Foto: dpa

Das Schaffen des Chamisso-Preisträgers Michael Stavaric wird gerne mit dem Schaffen von Franz Kafka verglichen.

Michael Stavaric ist mit dem Chamisso-Preis der Bosch-Stiftung ausgezeichnet worden. Damit werden Autoren ausgelobt, die auf Deutsch schreiben, obwohl es nicht ihre Muttersprache ist.

Preise sind immer etwas Besonderes für Autoren, für Stavaric und den Chamisso-Preis gilt dies aber in einem ungewöhnlichen Maße: „Für mich schließt sich da ein Kreis, mein langjähriger Mentor Jiri Grusa war bereits einmal Träger des Chamisso-Preises, außerdem habe ich selbst schon einmal den Förderpreis bekommen“, so Stavaric.

Von daher weiß er aus Erfahrung: „Man hat das Gefühl, Teil der Bosch-Familie zu sein. Man kümmert sich um uns, wir werden betreut, die Leute von der Stiftung wollen wissen, was wir machen und tun und wie weit sie uns helfen können, auch wenn man gerade mal nicht eifrig publiziert. Wir werden zu Lesungen eingeladen, es werden Arbeitsstipendien vergeben, es gibt also immer wieder neue Anknüpfungspunkte“, so Stavaric, „das gibt es bei anderen Preisen so nicht.“ Viel Lob also vonseiten des Autors, verbunden mit der Hoffnung, dass seine Bücher nun auch weitere neue Leser neugierig gemacht haben.

In verschiedenen Genres tätig

Die Jury lobte seinen jüngsten Roman „Brenntage“ unter anderem mit den Worten „Es ist ein Aufwachsen in der Magie der selbst auferlegten Reduktion, die diesen Roman so unverwechselbar innerhalb der deutschsprachigen Literaturlandschaft macht“, doch gilt dieser Preis auch als einer für das Lebenswerk. Denn Stavaric ist in verschiedenen Genres tätig. Zurzeit arbeitet er an zwei Kinderbüchern, führt derzeit Gespräche mit den Illustratoren, aber er hat natürlich auch einen weiteren Roman in der Schublade, über den er sich derzeit aber noch nicht äußern will.

Der Preis ist für Stavaric zugleich ein Anreiz, bereits Gedachtes nochmals neu zu reflektieren: „Bei mir ist es so, dass ein Buch gewissermaßen durch ist, wenn ich es abgeschlossen habe und wenn es publiziert ist“, so Stavaric, „jetzt aber befinde ich mich in der Situation, nochmals darüber nachzudenken, obwohl es mir eigentlich schon ziemlich fern ist.

Denn eigentlich ist es für mich so: Wenn ein Buch fertig ist, muss es alleine in der Welt stehen. Denn die schriftstellerische Arbeit ist ja bereits vor der Publikation getan worden, solch eine Beschäftigung danach bedeutet also eine Zeitverzögerung, zumal es ja auch noch eine ganze Weile dauern kann, bis ein Verlag das Buch in seinem Programm unterbringt. Die Deutungshoheit hat nach dem Erscheinen dann der Leser, da ist die Position des Autors meines Erachtens nach nicht mehr so wichtig.“

„Er ist also so wichtig oder unwichtig wie 50 andere Autoren“

Das Schreiben von Stavaric wird gerne mit Kafka verglichen, doch das relativiert der Autor: „Ich befasse mich viel mit slawischer Literatur, das ist Teil meiner Biografie, und da gehört Kafka natürlich dazu. Die Art und Weise, sich mit unheimlichen Dingen zu beschäftigen, kann man in Kafka verorten, das trifft aber auch auf viele andere Autoren zu. Kafka ist also kein leuchtendes Beispiel, sondern Teil meiner Lesebiografie. Er ist also so wichtig oder unwichtig wie 50 andere Autoren.“

Zumal es ihm in seinem Schaffen weniger darum geht, seine Biografie widerzuspiegeln: „Es gibt da schon in einigen Details Schnittpunkte, aber generell interessiert mich an der Literatur mehr die Möglichkeit der Erfindung. Meine Biografie finde ich nicht so interessant, dass ich meine Literatur danach ausrichte.“ Prägend ist aber, dass Stavaric in zwei Sprachen und in zwei verschiedenen politischen Systemen aufgewachsen ist: „Daher kommt wohl meine Vorliebe für Sprache und für Sprachexperimente. So übernehme ich etwa besondere Intonationen oder grammatische Besonderheiten aus dem Slawischen. Das ist aber keine inhaltliche Auseinandersetzung.“

„In Gesprächen ist aber das Tschechische für mich noch sehr lebendig“

Die Schriftstellerin Kathrin Schmidt sieht dies in ihrer Laudatio so: „Träfe der Ich-Erzähler des Romans auf Adelbert von Chamisso – die beiden hätten sich einiges zu erzählen. Nicht nur, dass sie sich in der Kindheit eine ihnen fremde Umgebung erschließen mussten, macht sie einander – und natürlich zugleich Michael Stavaric – verwandt. Auch im Verhältnis zur Natur ergänzte der eine den anderen. Als bereite er sich endgültig auf das Verschwinden der menschlichen Zivilisationsreste seiner abgeschiedenen Bergregion vor, haucht er Pflanzen mit diesen Namen Lebendigkeit ein und lässt sie unmerklich zu den wahrscheinlich Überdauernden werden.“

Das Schreiben auf Tschechisch hat er inzwischen komplett eingestellt. Stavaric: „Das war noch anders, als ich Lyrik geschrieben habe, denn die tschechische Sprache eignet sich sehr, etwas komprimiert auszudrücken. Mit der tschechischen Sprache habe ich aber nach wie vor zu tun als Übersetzer von Belletristik.“ Dabei übersetzt er vor allem aus dem Tschechischen ins Deutsche, umgekehrt fehlt es ihm an der Übung: „Deutsch ist meine Arbeitssprache, in Gesprächen ist aber das Tschechische für mich noch sehr lebendig“, so Stavaric.

Früher war er häufig in seinem Heimatland, zumal er einige Jahre im diplomatischen Dienst tätig war, „Da habe ich viel an bilateralen Gesprächen zwischen Tschechien und Österreich teilgenommen, wo ich heute lebe“, so Stavaric. Heute wird er als Freiberufler immer öfter eingeladen zu Lesungen, seitdem sein Werk ins Tschechische übersetzt wird.