Im Ringen um ein ungeborenes Baby raufen sich zwei Geschäftspartnerinnen zusammen: Die Belgierin Lucie Debay (li.) und die Australierin Rachael Blake in „Melodys Baby“ Foto: Damned Distribution

In Belgien ist Lucie Debay eine bekannte Theaterschauspielerin. Nun hat sie den Sprung auf die Kinoleinwand gewagt und brilliert in „Melodys Baby“ als Leihmutter, die in einen Zwiespalt gerät – und sich ihrer Auftraggeberin auf wundersame Weise annähert.

Stuttgart – Madame Debay, welchen Beitrag leistet der Film in der Debatte um Leihmutterschaft?
Leihmutterschaft ist ein so großes Tabu, dass ich es wichtig finde, für ein bisschen Reibung zu sorgen. Das Thema ist hochkomplex und wirft endlos Fragen auf. Darf man einen Körper mieten? Schlussendlich geht es um das Leben eines Menschen, um Fragen der Vermarktbarkeit von Körpern und um Geld – normalerweise beauftragen reiche Leute arme Leute. Es gibt auch Fälle, in denen es für alle Beteiligten funktioniert; manchmal bleibt es sogar in der Familie. Es gibt also keine allgemeingültigen Antworten – und auch der Film bezieht keine Stellung.
Was macht der Film mit dem Thema?
Leihmutterschaft ist der Auslöser für ein Treffen dieser zwei Frauen, im Vordergrund steht ihre Verbindung. Und es geht um Themen wie Adoption und Zugehörigkeit. Spielen Gene oder die soziale Beziehung eine größere Rolle? Kann man sich eine Mutter oder eine Tochter aussuchen?
Was denken Sie?
Ich habe Mutter und Vater, aber ich bin nicht mit beiden aufgewachsen. Ich habe in meinem Leben Menschen gefunden, die sich wie Ersatzeltern anfühlen. Ich glaube also daran, dass das möglich ist. Aber ich könnte nie sagen, eines ist stärker als das andere. Die Verbindung zu den leiblichen Eltern ist immer stark. Während man sich jedoch seine eigenen Eltern nicht aussuchen kann, geht das mit anderen Menschen eben schon.
Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen Bühne und Filmset?
Film ist sehr viel intimer als Theater. Was ich besonders daran schätze, ist, dass man an winzig kleinen Details arbeiten kann. Besonders in diesem Film, bei dem die Kamera manchmal so nah ist. Dadurch, dass ich in „Melodys Baby“ die Hauptrolle spiele und die Figur im Laufe des Films eine solche Veränderung durchmacht, hatte ich die Möglichkeit, ihrer Evolution zu folgen. Und Melody war genau wie ich noch nie schwanger. Wie sie musste auch ich erforschen, wie das ist.
Und wie haben Sie das gemacht?
Regisseur Bernard Bellefroid bat mich, Zeit mit Schwangeren zu verbringen. Ich hatte einen künstlichen Bauch bei mir zu Hause, den ich mir anziehen konnte. Mit dem ging ich oft zu meiner schwangeren Nachbarin und verbrachte viel Zeit mit ihr. Wir haben ganz alltägliche Dinge zusammen gemacht. Geputzt zum Beispiel (lacht). Außerdem habe ich Geburtsvorbereitungskurse besucht. Und weil Melody im Drehbuch ins Schwimmbad geht, begann ich, viel zu schwimmen und mich dort in meine Rolle hineinzuversetzen.
Mit dem künstlichen Bauch ins Schwimmbad?
Nein (lacht). Ohne den Bauch.
Haben Sie vor dem Dreh geprobt?
Ja, in der chronologischen Reihenfolge. Dadurch konnten wir uns an die Beziehung zwischen den Figuren herantasten.
Was fiel Ihnen schwer beim Dreh?
Wenn ich gar nichts tun sollte, einfach nur da sein. Genau das war es aber auch, was ich am meisten schätzen lernte. Ich durchlebte so viel mit meiner Figur, dass ich am Schluss in der Lage war, einfach nur da zu sein und dabei gefilmt zu werden. Vielleicht war hilfreich, dass Bernard mich während des ganzen Drehs keinen einzigen Filmausschnitt anschauen ließ. Er hatte Angst, dass ich anfangen würde, Dinge zu kontrollieren.
Abgesehen von der ersten Woche – was hat Sie an der Rolle gefordert?
Die letzte Szene, in der ich das erste Mal das Kind in den Armen halte. Wir mussten das mittendrin drehen, und ich hatte große Angst davor. Ich war mir sicher, dass ich sie nicht würde spielen können, weil ich noch nicht alle anderen Szenen gespielt hatte. Ich war also noch nicht bereit zu entbinden (lacht).
Diese eindrückliche Szene ist vielleicht die stärkste des Films. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Es ist eine der Szenen, die wir nicht geprobt haben. Es ist unmöglich, eine solche Szene zu proben, und vielleicht war es wichtig, sie für den Film frisch zu lassen. Ich sah das Baby erst, als wir tatsächlich drehten. Ich hörte es weinen, und dann spielte ich die Szene. Ich bin es nicht gewohnt, kleine Babys im Arm zu halten. Also war ich wirklich ganz bei diesem Kind und versuchte, mich um es zu kümmern. Natürlich spielte ich, aber andererseits auch nicht. Du kannst dich auf eine Rolle vorbereiten. Aber dein Spiel hängt von so vielen Dingen ab. Auch von deinem Gegenüber.
Wie war die Arbeit mit Rachael Blake?
Im Film ist Melody sehr beeindruckt von Emily, weil sie eine erfolgreiche Frau ist – und mir ging es mit Rachael ganz ähnlich. Sie ist so viel erfahrener als ich. Aber wie unsere Figuren kamen auch wir uns sehr nahe. Es war großartig, wie offen sie für meine Vorschläge war. Das rechne ich ihr sehr hoch an. Und sie brachte so viel von sich in diese Rolle ein. Sie nahm während des Drehs acht Kilo ab und schnitt sich die Haare radikal kurz.
Hat der Film Spuren bei Ihnen hinterlassen?
Für Bernard war es wichtig, eine Schauspielerin auszuwählen, die noch nie ein Kind bekommen hat. Für mich war das seltsam. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich so viel darüber nachdachte, wie es ist, ein Kind zu bekommen, Mutter zu sein. Meine Hormone gerieten richtig durcheinander. Irgendwann habe ich mich gefragt: Was macht er da mit mir? Er stiehlt mir meine erste Schwangerschaft ! (lacht) Nach dem Projekt war ich ein bisschen verstört: Eineinhalb Jahre – und ich bin immer noch nicht Mutter!