Monteur arbeitet an einem Drehkranz Foto: dpa

Überheizte Räume, keine Getränke, bohrende Fragen, psychischer Druck: Großfirmen nehmen ihre Lieferanten aus dem Maschinenbau bei Preisverhandlungen immer stärker in die Zange. Damit halten die schlechten Sitten aus dem Automobilbereich auch im Mittelstand Einzug, sagt eine Studie.

Stuttgart - „Es wird immer unangenehmer“, sagt Hans-Andreas Fein. Fein, Spross der Elektrowerkzeugdynastie Fein aus Schwäbisch Gmünd und seit einem Vierteljahrhundert Industrie-Berater, sitzt in seinem Stuttgarter Büro und redet über einen Kulturwandel.

Er redet über „Preisdrückerei“, „aggressive Kaufgespräche“ und „unfaire“ Einkaufstaktiken. Seit 1997 untersucht Fein die Gepflogenheiten speziell der Einkäufer im Automobilgeschäft. Damals war gerade die Ära des spanischstämmigen Automobil-Managers Ignacio Lopez zu Ende gegangen. In Diensten von Opel, General Motors (GM) und später Volkswagen stehend, verbreitete Lopez unter Zulieferern weltweit Angst und Schrecken. Der beinharte Baske setzte Knebelverträge durch und rang selbst etablierten Zulieferern hohe Rabatte ab. In Erinnerung geblieben ist der sogenannte Lopez-Effekt, ein Synonym für niedrige Einkaufspreise, aber auch für liederliche Qualität bei Bauteilen und zerrüttete Beziehungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern.

Seit einiger Zeit hat Feins Unternehmensberatung ihren Blick nun auch auf den deutschen Maschinenbau gerichtet, wo sich – in bislang noch leicht unscharfen Konturen – Ähnliches abzeichnen könnte.

Mit der Reutlinger ESB Business School hat Feins Unternehmensberatung vor kurzem ihre zweite Marktstudie zum Preisgebaren im Maschinen- und Anlagenbau veröffentlicht. Grundlage sind 153 Interviews mit Maschinenbau-Managern. Das Resultat untermauere einen Trend der letzten Jahre, sagt Fein. „Die schlechten Sitten im Automobilbereich wachsen langsam hinüber in den Maschinenbau.“ Eine bedenkliche Entwicklung, wie Fein findet. Bereits mehr als jeder siebte Maschinenbauer empfinde das Klima in Preisgesprächen mit Kunden als „eisig, rigoros, unfair oder böse“. Als „unangenehm“ im weiteren Sinne stufte fast ein Fünftel der Ausrüster den Kontakt zu ihren Konzern-Auftraggebern ein. Marco Schmäh, Betriebswirtschaftsprofessor in Reutlingen und Mitautor der Studie, spricht von „großem Wettbewerbsdruck“ und harten Vorgaben der Einkäufer „von oben“.

Die heile Welt der oft familiengeführten Maschinenbau-Mittelständler und ihrer Kunden – geht sie also gerade in die Brüche?

Zumindest sind offenbar immer weniger der kleinen Technologie-Firmen dem steigenden Druck ihrer Großkunden gewachsen. Über 60 Prozent der Konzerne drücken mittlerweile ihre Forderungen nach Rabatten durch – eine deutliche Steigerung gegenüber den letzten Studie, die Fein ebenfalls mit Schmäh im Jahr 2012 durchgeführt hat.

Derzeit erhalten die Großkunden demnach im Schnitt Nachlässe von knapp elf Prozent. Fordern tun sie deutlich mehr – fast 18 Prozent. Im Vergleich zur Vorgänger-Studie ist auch hier der Trend klar: Die Macht der Konzerne steigt. Einkäufer in Diensten von Automobilfirmen sind dabei deutlich erfolgreicher als deren Kollegen aus anderen Branchen. Laut Fein ist das eine klare Folge der „langjährigen Schulung im Gebiet der Preisverhandlungen“. Kurz: Beim Preisdrücken macht den Autobauern so leicht keiner etwas vor. Lopez lässt grüßen!

Aber das könnte sich ändern. Andere Branchen, etwa die Nahrungsmittel- oder Pharmaindustrie, würden seit einiger Zeit Einkaufsspezialisten der Autobranche abwerben, um von deren Erfahrung bei Preisverhandlungen zu profitieren, sagt Fein.

Befeuert wird die Rabattschlacht im Maschinenbau von einem weiteren Trend, der seine Ursprünge laut Fein ebenfalls im Automobilbereich hat. Die Hersteller dort organisieren ihre Produktion zunehmend entlang von Leitwerken. Diese dienen als Blaupausen für andere Produktionsstätten weltweit und gleichen sich bis ins Detail. Ziel ist es, einheitliche Produktionsstandards einzuführen. Im Zuge der weltweiten Vernetzung schwenken nun zusehends andere Branchen auf dieses globale Organisationsprinzip ein.

„Global agierende Firmen wollen einheitliche Produktionsstandards“, sagt auch Dietrich Birk, Geschäftsführer des Maschinenbauerverbands VDMA im Südwesten. Durch die Vergabe von Großaufträgen versuchten die Unternehmen „Kostenvorteile bei der Beschaffung zu erreichen“. Besonders bei Standardmaschinen habe sich ein „erheblicher Preiskampf“ ergeben, sagt Birk. Der Kostendruck in der Branche habe deutlich zugenommen. Und beim Werkzeugmaschinen-Fachverband VDW heißt es, einzelne Bereiche lägen „unter Feuer“ wie nie.

Gerade die Hersteller von Standardmaschinen sind es, die sich auch nach Ansicht von Fachmann Fein warm anziehen müssen. Ihre Produkte sind im Vergleich zu Spezialmaschinen leichter austauschbar und stehen daher unter größerem Preisdruck.

Die Entwicklung zum konzernweiten Einkauf kann für die deutschen Firmen aber auch eine Chance bedeuten. Hiesige Maschinenbau-Produkte gelten in vielen Bereichen als technologisch führend. Als solche sind die Fabrikausrüster gefragte Partner für nahezu alle Industrien. Das biete eine „gute Ausgangsposition“, um bei Großaufträgen zum Zug zu kommen, sagt Fein.

Um bei den Preisverhandlungen nicht über den Tisch gezogen zu werden, hilft nach Feins Ansicht nur eines: auf Augenhöhe mit den abgebrühten Einkaufsmanagern der Konzerne zu kommen. Kurz: „Das Personal schulen, schulen, schulen.“

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