Noch thront die neue Bibliothek über allem – der Mailänder Platz wird erst 2014 fertig, das Geländeniveau muss noch stark angehoben werden. Mehr Impressionen vom Mailänder Platz und wie er mal aussehen soll gibt es in unserer Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko

Rund um die neue Bibliothek herrscht Tristesse – Ziel: Ein Mailänder Platz mit einem Wasserspiel.

Stuttgart - Der Mailänder Platz im neuen Stuttgarter Europaviertel gibt derzeit ein trostloses Bild ab. Bis zur Fertigstellung im Herbst 2014 soll die Fläche am Rande der neuen Bibliothek aber herausragende urbane Platzqualitäten bekommen.

Der New Yorker Kunst-und-Kultur-Blog „Flavorwire“ hat erst vor kurzem die neue Stuttgarter Stadtbibliothek auf Platz sieben der schönsten Bibliotheken der Welt gewählt. Die Auszeichnung gebührt dem Entwurf des Koreaner Architekten Eun Young Yi, dessen Formensprache hier in Stuttgart nicht unumstritten ist – zumindest, was das Äußere des Gebäudes angeht. Mit dem Umfeld des 79 Millionen Euro teuren Kulturwürfels ließe sich dagegen derzeit wohl kein Blumentopf gewinnen.

Siegerentwurf lieferte das Atelier Dreiseitl aus Überlingen

Der Mailänder Platz, auf den von der Stadtbahnhaltestelle Türlenstraße eine stählerne Behelfsbrücke zuführt, geht höchstens als Vorhof zur Riesenbaustelle Europaviertel durch. Außer 20 glänzenden Fahrradständern und einigen Abfalleimern hat der Platz nichts zu bieten. Die einzigen Farbtupfer im Beton-Einheitsgrau von Bodenbelag und Bibliotheksfassade werden von kleinen Rasenflächen an den Gebäudeseiten gesetzt, doch auch die sind nicht gerade üppig.

Die größte Abwechslung bieten Laster und Bagger, die spielzeuggleich durch die riesige Baugrube am Fuß der Bibliothek kreuzen, wo die Hamburger ECE-Gruppe demnächst ihr Einkaufszentrum aus dem Boden stampfen will. „Der Platz ist steriler als jeder Operationssaal“, meint ein Passant im Vorbeihuschen. Doch dieser Eindruck soll sich ändern.

Bis Ende 2014 soll der Mailänder Platz seine endgültige Gestalt annehmen, die im vergangenen Juli in einem Wettbewerb mit elf Planungsbüros bestimmt wurde. Den Siegerentwurf lieferte das Atelier Dreiseitl aus Überlingen. Das öffentliche Herz des Europaviertels versehen die Landschafts- und Stadtplaner mit einem kleinen Wäldchen aus 14 Bäumen, langgestreckten Sitzbänken davor und einer rund 100 Meter langen, leicht schrägen Wasserrampe, die sich parallel zur Bibliothek bis in die angrenzende Londoner Straße hineinzieht.

Wasser soll effektvoll über die geplante Wasserrampe fließen

„Den Mailänder Platz gibt es heute eigentlich noch gar nicht“, bittet Uwe Stuckenbrock, für das Europaviertel zuständiger Abteilungsleiter im Stadtplanungsamt, um Nachsicht für die Einöde. Das Geländeniveau werde mit dem Ausbau des dreiteiligen ECE-Centers auf die Niveauebene der Bibliothek angehoben. Heute thront der Medientempel einer Trutzburg gleich noch fast zwanzig Meter über der Baugrube. Danach werde der Platz mit einer Seitenlänge von 60 Metern auch eine ansprechende Größe aufweisen, die an die Ausmaße von Schiller- und Marktplatz heranreiche.

Konkrete Pläne für die endgültige Gestaltung des Mailänder Platzes stellt bereits auch das Siegeratelier Dreiseitl an – unter tatkräftiger Mithilfe von 18 Sechstklässlern der Waldorfschule am Kräherwald. In einem zweitägigen Workshop im städtischen Stadtlabor erarbeiteten die Kinder vergangene Woche bis Freitagabend Vorschläge, wie das Wasser effektvoll über die geplante Wasserrampe fließen könnte. Verschiedene Formelemente aus Styropor schraubten sie in kleine Rampenmodelle, die für Strömungssimulationen benutzt wurden.

„Wir beteiligen oft Kinder und Erwachsene bei der Ausgestaltung von Objekten“

„Dass Wasser auf ebenen Flächen mäandert, war mir neu“, beschreibt der zwölfjährige Moritz seinen Erkenntnisgewinn. Die jungen Brunnengestalter favorisierten letztlich Rauten- und Kreisformen, um die Wasserströmung zu beeinflussen.

„Wir beteiligen oft Kinder und Erwachsene bei der Ausgestaltung von Objekten“, sagt Dreiseitl-Geschäftsleiter Dieter Grau. Das sei ein gutes Mittel, um eine Beziehung der späteren Nutzer zur geplanten Einrichtung zu erzeugen. Die Ideen der Waldorfschüler werden von Dreiseitl-Architekten in der Werkstatt in Überlingen verfeinert.

„Der Mailänder Platz gibt derzeit ein falsches Bild ab“, sagt Grau. Das Endergebnis werde viele überraschen, verspricht der Landschaftsarchitekt: „Er wird zu einem der Top-Plätze Stuttgarts.“