Markanter Protest an der Cannstatter Straße gegen die Luftverschmutzung. Foto: Lg/Kovalenko

Das Verwaltungsgericht fällt an diesem Freitag sein Urteil zur Klage der Umwelthilfe. Sie fordert ein totales Fahrverbot für Diesel. Eine Umfrage kommt zu interessanten Ergebnissen.

Stuttgart - Wenn die Einwohner der Landeshauptstadt selbst entscheiden könnten, dann würde sich eine Mehrheit für dauerhafte Verkehrsbeschränkungen in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung entscheiden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts Forsa (Berlin) im Juni. In der Stadt Stuttgart hielten 64 Prozent, in der Region 61 Prozent dauerhafte Beschränkungen für richtig.

Immerhin 55 Prozent der Befragten in der Stadt und 57 in der Region befürworten an Tagen mit besonders starker Luftverschmutzung ein Fahrverbot für Diesel mit schlechten Abgaswerten. Dieses temporäre Modell sah das Land für Stuttgart ab Januar 2018 vor. Doch weil Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die dazu nötige Beschilderung als rechtlich unzulässig verworfen hat, hat das Land vom temporären Fahrverbot weiten Abstand genommen.

Verbote rücken näher

Die Umfrage wurde vom Verkehrsministerium des Landes in Auftrag gegeben. Sie ist nicht die erste in dieser Sache. Gegenüber der Erhebung aus 2015 haben sich Verschiebungen ergeben. Damals waren 71 und nicht wie jetzt 64 Prozent der Meinung, dass in Gebieten mit hoher Luftverschmutzung permanent Verkehrsbeschränkungen gelten sollten.

Fahrverbote im Stadtgebiet rücken tatsächlich näher. An diesem Freitag wird das Verwaltungsgericht Stuttgart um 10.30 Uhr sein Urteil zur Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf ein komplettes und ganzjähriges Fahrverbot für alle Fahrzeuge mit Dieselmotoren bekannt geben. Die DUH pocht darauf. Der Verband sieht darin die einzige rasche und wirkungsvolle Maßnahme gegen die seit Jahren weit über den Grenzwerten liegende Stickoxidbelastung. Das Gericht hat in seiner mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass es sich Verbote vorstellen kann und die von der DUH vorgeschlagene Beschilderung aufgegriffen: Neben dem bekannten Umweltzonen-Schild mit Grüner Plakette könnte ein Zusatzschild „gilt nicht für Diesel“ stehen. Das Verkehrsministerium würde allerdings allenfalls „Gilt nicht für Diesel bis Euro 5/V“ beschildern. In der Wirkung sei das eine „frei erfundene Blaue Plakette“, heißt es im Haus von Minister Winfried Hermann (Grüne). Allerdings würden Benziner mit dieser Variante geschont. Mit der Blauen Plakette würden auch diese bis Euro 3 mit einem Fahrverbot belegt. Die Blaue Plakette gibt es nicht. Sollte sie verfügbar sein, will das Land sie erst 2020 ganzjährig in Stuttgart anwenden, und nur dann, wenn 80 Prozent aller Fahrzeuge sie erhielten. In der Stadt können sich laut Umfrage 59, im Land insgesamt 55 Prozent für dieses Vorgehen erwärmen.

Kabinett entscheidet

Das Ministerium will den Luftreinhalteplan auf der Grundlage des Urteils fortschreiben. Würde der Plan habhaft geändert, zum Beispiel wegen eines Urteils, müsse das Papier nochmals in die Anhörung und im Landeskabinett unter Vorsitz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) besprochen werden. Dann wäre der Abschlusstermin 31. August allerdings kaum mehr zu halten.

Kretschmann will beim nationalen Dieselgipfel am 2. August die Autohersteller zur Nachrüstung verpflichten. Dabei hat er zwei Drittel der 1001 von Forsa befragten Baden-Württemberger hinter sich. Insgesamt 69 Prozent finden, dass es ein staatlich finanziertes Nachrüstprogramm für die Abgasreinigung von Euro-5-Dieseln geben müsse. Die Wagen sind, wie viele Euro-6-Diesel, oft nur auf dem Prüfstand sauber, stoßen aber im Realbetrieb ein Vielfaches der im Prüfmodus zulässigen Stickoxid-Menge aus.

Wirksame Nachrüstung möglich

Eine wirkungsvolle Nachrüstung, die selbst auf der Straße die Euro-6-Grenzwerte deutlich unterschreitet, scheint möglich. Das haben der ADAC und die Fachzeitschrift Auto-Motor-und-Sport bei der Prüfung eines Nachrüstsatzes des Herstellers Twintec bei einem VW-Passat Diesel (Euro 5) festgestellt. Die Kosten liegen allerdings bei 1500 bis 2000 Euro. So viel scheinen die Hersteller nicht aufwenden zu wollen. Das vom Daimler-Konzern angekündigte freiwillige Software-Update für drei Millionen Diesel mit Stern soll den Hersteller pro Fahrzeug umgerechnet mit nicht mehr als rund 80 Euro belasten. Daimler-Chef Dieter Zetsche verspricht dennoch eine deutliche Wirkung für die Verbesserung der Luft in den Städten.