Wohin man auch blickt, überall fahren und stehen in Stuttgart viele Autos – ihren Schadstoffausstoß will man noch besser in den Griff kriegen Foto: dpa

Die Luft in Stuttgart ist in den vergangenen Jahren besser geworden, aber gegen die Schadstoffe muss noch mehr unternommen werden. Mit Aufforderungen und Appellen an die Autofahrer wollen Verkehrsminister Winfried Hermann und OB Fritz Kuhn die Luftqualität in Stuttgart weiter verbessern. Wenn das nicht reicht, sind weitere Maßnahmen mit Geboten und Verboten vorgesehen.

Stuttgart - Der Nebel lichtet sich – die Maßnahmen, mit denen Verkehrsminister Winfried Hermann und OB Fritz Kuhn (beide Grüne) bessere Luft in Stuttgart schaffen wollen, werden immer deutlicher. Am Dienstag berichteten sie, welche Argumente und Ideen sie Bundesregierung lieferten, damit diese bei der Europäischen Kommission Strafmaßnahmen abwendet.

Hermann informierte das ausnahmsweise in Brüssel tagende Landeskabinett über die Pläne. Da geht es vor allem um mehr emissionsarme Fahrzeuge und Maschinen, um eine 20-prozentige Reduzierung von Kfz mit Verbrennungsmotor im Stuttgarter Talkessel und um einen Feinstaubalarm: Wenn die Feinstaubwerte in Stuttgart am Neckartor überhöht sind und die absehbare Wetterlage keine Besserung erwarten lässt, sollen das Verkehrsaufkommen und der Betrieb von offenen Kaminen und Öfen beeinflusst werden. Außerdem geht es um die Förderung von Elektromobilen für Vielfahrer wie Taxibetriebe und reservierte Parkplätze für E-Mobile. Das Lkw-Durchfahrtsverbot soll forciert werden, für schadstoffarme Lkw will man aber Benutzervorteile einräumen.

Hermann kündigte an, in Stufe 1 wolle man eine Informationsoffensive starten, das Luftmessnetz in Stuttgart verdichten und an die Einwohner appellieren, bei austauscharmen Wetterlagen ihr Verhalten umzustellen. Wenn Stufe 1 nicht ausreiche, um bis spätestens 2021 die sichere Einhaltung von Grenzwerten zu gewährleisten, solle die Stufe 2 mit Geboten und Verboten kommen. Hier will die Landesregierung die blaue Plakette für die Umweltzone Stuttgart einführen. Besonders Dieselfahrzeuge dürften dann nur noch ins Stadtgebiet fahren, wenn sie über einen besonders leistungsstarken, nämlich geschlossenen Rußpartikelfilter verfügen. Der Bund müsse aber mit einer Verordnung noch die Voraussetzungen schaffen.

Kuhn sagte im städtischen Umwelt- und Technik-Ausschuss, der Feinstaubalarm könne bedeuten, dass man zu verstärkter Heimarbeit aufrufe. Dann könnten Unternehmen ihren Mitarbeitern Unterlagen mit nach Hause geben, damit die Arbeitnehmer an den kritischen Tagen nicht pendeln müssen. Die nächsten Maßnahmen in Stufe 2 würden dann anders aussehen. Hier ist auch etwas im Gespräch, was es vor allem in Italien schon länger gibt: An Tagen mit überhöhten Schadstoffwerten darf abwechselnd immer nur ein Teil der Autos in die Innenstädte fahren. An einem Tag die Autos mit geraden Zahlen im Kennzeichen, anderntags die Autos mit ungeraden Zahlen. Das zählt aber zu dem Teil des Konzepts, das Minister Hermann „nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg vorschreiben“ will. Mit umfassender Bürgerbeteiligung will er sondieren, wie schnell und nachhaltig die Bürger für bessere Luft ihr Verhalten ändern wollen. Dabei soll auch der Zeitplan für die Abfolge der Maßnahmen bestimmt werden.

Frühzeitig möchte Hermann auf mehrspurigen Straßen eine Umweltspur einführen. Sprich: Von drei Spuren pro Fahrtrichtung stünde dann eine für Elektromobile zur Verfügung und für Fahrgemeinschaften. Da stelle sich aber noch die Frage, sagte Kuhn, ob das in der Praxis umsetzbar ist und ob auf den verbleibenden Spuren Staus entstehen. Kuhn forderte erneuert, das Land solle ein Jobticket für seine Beschäftigten einführen.

Die Messwerte belegten zwar eine Besserung der Situation, sagte Kuhn, man könne sich aber nicht zurücklehnen. Am Neckartor sei der Grenzwert für Feinstaub 2014 an 64 Tagen überschritten worden, 35 Tage sind erlaubt. Insbesondere um die Einhaltung des Jahresmittelwertes für Stickstoffdioxid werde man noch lang ringen müssen, sagte Stadtklimatologe Ulrich Reuter. Die meisten Fraktionen meinten, man sei auf einem guten Weg. SÖS/Linke-plus warnte vor dem Glauben, dass Stuttgart schon ein Luftkurort wäre. Das Land habe zu wenig Bereitschaft zu wirksamen kurzfristigen Maßnahmen. Die Grünen forderten 15 zusätzliche Maßnahmen, die SPD hatte auch Zusatzwünsche. Die AfD fand, es sei Zeit, wieder an die Anhebung von Tempolimits zu denken.