Der Stammtisch ist ein Forum der Politik. Foto: Mauritius

Wer in Ludwigsburg eine Veranstaltung zur Umvolkung besuchen will, muss einen Nachweis seiner Ahnen bis vor 1913 vorzeigen. Wir ahnen: hier treffen sich keine Hobbygärtner, die sich austauschen wollen.

Ludwigsburg - Der Stammtisch ist ein beliebtes Mittel zur Meinungsbildung. Kaum hat man seine Meinung gefunden, plumpst sie auch schon vom Tisch. Denn sie folgt dem Gesetz der Schwerkraft. Für den Stammtisch gilt deshalb: ein bisschen Schieflage muss schon sein.

Genau deshalb ist der Stammtisch ein verlässliches Mittel derer, die sich auf politischen Feldern tummeln wollen. Kontrovers geht es an diesen Tischkreisen meist nur dort zu, wo man die Teilnehmerschaft exakt ausgeknobelt hat. Aber dann hat so ein Stammtisch keine Schieflage, nichts plumpst, wo es hinplumpsen soll. Dann hat er für seine Erfinder seinen Sinn verfehlt.

Die wilde Blumenwiese ist nicht gefragt

Aber es soll ja auch nicht jeder an so einem Tischkreis sitzen dürfen. Deshalb überlegen sich die Menschen die albernsten Auswahlkriterien. In Ludwigsburg etwa hat am vergangenen Wochenende eine wohl hochinteressante, auf Grund ihrer Zutrittsbedingungen aber geschlossene Veranstaltung zur „geplanten Umvolkung der BRD“ stattgefunden. Nein, kein Treffen von Hobbygärtnern, die sich außerhalb der Pflanzzeit übers Umtopfen austauschen wollten. Aber mit dem Boden und der Bindung an die Scholle hatte das Ganze schon etwas zu tun. Doch mit BRD meinen die Veranstalter nicht irgendein Pflanzenschutzmittel, sondern das Land, in dem wir alle zusammen leben. Das befürchtete Umtopfen, äähhh Umvolken geht uns also alle an. Denn sagen wir’s mal so: die Einladenden sind eher Fans akkurat geschnittener Rasenflächen. Die wilde Blumenwiese ist nicht so ihr Ding. Denn die Gruppierung, welche die Polizei den sogenannten Reichsbürgern zuordnet, hatte geladen. Das sind Zeitgenossen, die unsere Verfassung für sehr vorübergehend erachten und schon fleißig an der Wiederherstellung einer Ordnung arbeiten, die sich aus ihrer Sicht bewährt hat.

Und so musste, wer am Sonntag den Krauthof betreten wollte, ganz tief ins hinterste Fach der Eichenschrankwand greifen. Gefordert wurde ein „beglaubigter Ahnennachweis bis vor 1913“, so berichten die, die keine solche Schrankwand besitzen. Man ist ja schließlich auch nicht jeden Tag mit einer solchen Anfrage konfrontiert, noch hat man immer die Eichenschrankwand in der Handtasche bei sich.

Von einem gewissen Überlegenheitsgefühl ist auszugehen

Gut, wir haben uns daran gewöhnt, dass wir an vielen Orten unsere Daten abgeben. Aber da geht es ja meist um so neumodischen Kram wie Bankverbindungen. Die sind den Herrschaften der Vereinigung Primus inter Pares aber einerlei. Und wie es sich für einen ordnungsgemäßen Stammtisch gehört, so unterstellen wir an dieser Stelle mal, blättern sie einen Ahnennachweis auch nicht ganz ergebnisoffen durch. Wollen sagen: rein soll’s schon sein, das Büchlein. Sagt nicht auch der Name Erster unter Gleichen, dass man von einem gewissen Überlegenheitsgefühl bei den Einladenden ausgehen kann?

Besonders gute Einlasskarten hatte am Sonntag übrigens dem Vernehmen nach, wer zusätzlich auch noch darauf verweisen konnte, bereits einen Stammtisch anzuleiten. Wohl bekomm’s.