Ob es hinter den Kulissen des Bordells Paradise so sauber zugeht, wie die Betreiber sagen, bezweifelt die Staatsanwaltschaft Foto: Daniel Moritz

Wie ein Frauentyp wirkt der Angeklagte trotz seines trainierten Körpers nicht. Mit der Loverboy-Methode soll der 21-Jährige junge Frauen in die Prostitution getrieben haben. Seit Mittwoch muss er sich wegen schweren Menschenhandels und Zuhälterei vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten.

Stuttgart - Ist das Sex-Imperium von Jürgen Rudloff, der bundesweit etliche Bordelle im Rotlichtmilieu betreibt, wirklich sauber? Nach einer Razzia im November 2014 erhob die Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gegen den vermeintlichen Saubermann im Sexgewerbe: Im Edelbordell Paradise in Leinfelden-Echterdingen sollen Frauen zum Sex gezwungen worden sein. Rudloff selbst ist nicht angeklagt. Aber ob die Anschuldigungen „Unterstellungen“ sind, wie Rudloff behauptet, ist eine Frage, mit der sich seit Mittwoch das Landgericht beschäftigt.

Ein 21-Jähriger und zwei Prostituierte im Alter von 25 und 26 Jahren sind wegen Menschenhandels und Zuhälterei angeklagt. Die Einnahmen durch die Opfer sollen sich die Angeklagten teilweise aushändigen lassen haben. Der Mann habe so rund 5000 Euro kassiert, jede der beiden Frauen etwa 2000 Euro. Laut Staatsanwalt Peter Holzwarth steht der 21-jährige Angeklagte der Gruppierung der United Tribuns nahe, die mit der Türsteherszene und Prostitution in Verbindung gebracht wird. Die drei Angeklagten sollen mit zwei Mitgliedern der selbst ernannten Tribunen Hand in Hand gearbeitet haben. Diese stehen noch nicht vor Gericht, weil sie im Ausland untergetaucht sind. Damit haben sie es Armin „Boki“ Culum, dem Chef der United Tribuns gleichgetan, der wegen eines Haftbefehls in sein Heimatland Bosnien flüchtete.

Mindestens drei Frauen im Alter von 19 bis 21 Jahren hat das Trio laut Anklage mit ähnlicher Masche zur Prostitution gebracht. Zweimal habe der Mann, einmal ein Komplize, den Kontakt zu ihnen gesucht. Das geschah persönlich oder über das Internet.

Die Männer hätten den Opfern dann im Winter und Frühjahr 2014 ein Liebesverhältnis vorgegaukelt und sie mit teuren Geschenken geködert. Ziel war laut Staatsanwaltschaft, dass die Frauen ihren Körper verkaufen, um ihrem „Freund“ aus einer vermeintlichen Finanznot zu helfen. Diese Taktik ist als sogenannte Loverboy-Methode in der Szene bekannt. Ihr fallen in erster Linie junge Frauen mit wenig Selbstbewusstsein zum Opfer.

Das böse Erwachen kam zum Teil sehr plötzlich. Eine 20-jährige Deutsche etwa sei mit dem Angeklagten am 16. April 2014 in das Edelbordell Paradise gegangen, so der Staatsanwalt. Als sich dort ein fremder Mann für sie interessiert habe, soll ihr „Freund“ diesem kurzerhand eröffnet haben, dass die Frau an dem Tag mit der Prostitution beginne.

Sie sei davon „total überrumpelt“ worden und habe den Verkauf ihres Körpers als sehr unangenehm empfunden. An diesem und weiteren Tagen habe sie noch mehrere Freier gehabt. Schließlich sei sie ausgestiegen, noch eine Zeit lang eigenständig der Prostitution nachgegangen und habe sie dann ganz aufgegeben. Im ersten Fall, der nicht dem 21-Jährigen zur Last gelegt wird, ist auch von Schlägen die Rede. Meist habe jedoch schon die Angst vor dem, was ihnen bei einem Ausstieg von den United Tribuns drohen könnte, die Frauen gefügig gemacht, so Holzwarth.

Wie bei der Gruppierung üblich, hatten die Mädchen die Namen des Mannes, „dem sie gehörten“, auf Brust, Bauch oder andere Körperteile tätowiert. Besonders perfide: Befragungen von Prostituierten aus dem Dunstkreis der Tribuns durch das Landeskriminalamt zufolge müssen die Frauen den Namen ihres „Besitzers“ überstechen lassen, wenn der Zuhälter wechselt.

Die Angeklagten haben sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Verhandlung wird am 10. Juli fortgesetzt.