Inzwischen ist der kleine Friedhof in Hohenheim ein gepflegter Ort der Ruhe. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Friedhof in Hohenheim gilt als einzigartige, historische Kostbarkeit. An dem idyllischen Ort ruhen herausragende Wissenschaftler, aber er zeigt auch unrühmliche Kapitel der Geschichte.

Stuttgart - Von Buchenhecken umsäumt liegt der kleine Friedhof versteckt auf dem Gelände der Universität Hohenheim. Studenten und Mitarbeiter der Uni werden den idyllischen Ort kennen, doch für die meisten Passanten bleibt er unentdeckt.

Eine Universität mit eigenem Friedhof dürfte weltweit einzigartig sein, mutmaßt Ulrich Fellmeth, der seit 1989 das Archiv und das hochschulgeschichtliche Museum der Universität Hohenheim leitet. Am 28. Februar 1853 hatte das Ministerium für Kirchen- und Schulwesen dem damaligen Direktor der Uni „die Errichtung eines Beerdigungsplatzes“ genehmigt. Bedingung war jedoch, dass Hohenheim sich um den Friedhof selbst kümmern muss. „Das ist bis heute noch so geblieben, auch wenn inzwischen die Friedhofsordnung der Stadt Stuttgart gilt“, sagt Fellmeth.

Etwa die Hälfte der Friedhofsplätze ist belegt

Anfangs war der Friedhof nur etwa 400 Quadratmeter groß, doch das erwies sich schnell als zu klein. Im Jahr 1887 wurde er deshalb noch einmal um die gleiche Fläche nach Norden hin vergrößert. Auf dem Friedhof wären heute knapp 200 Begräbnisstätten möglich, 100 davon sind belegt. „Es gibt aber schon einige Vormerkungen“, sagt Fellmeth. Ein Urnengrabfeld mit 15 Urnenfeldern bietet außerdem Platz für 45 Urnen.

Von Beginn an war die Ehre, hier die letzte Ruhestätte zu finden, den Mitarbeitern der Universität und ihren Angehörigen vorbehalten. „Bis heute bestimmt der Rektor darüber, wer hier begraben werden darf und wer nicht“, sagt Fellmeth. Ihm sei jedoch nicht bekannt, dass schon mal ein Antrag abgelehnt wurde. „Wahrscheinlich wäre es Mitarbeitern, die dem Ruf der Uni geschadet haben, nicht erlaubt.“ Soziale Unterschiede gebe es hier nicht. „Vom Landarbeiter auf den Gutshöfen bis zum Rektor kann jeder eine Grabstätte erhalten.“

Der Garten eines Professors musste dem Heldenfriedhof weichen

Ein Spaziergang über den Friedhof ist somit eine Begegnung mit zahlreichen bekannten und weniger bekannten Hohenheimer Persönlichkeiten. „Wenn man genau hinschaut, bildet sich hier auch die Geschichte der Universität ab“, sagt der Archivar und läuft zur Rückseite des Friedhofs. Dort sind sechs Gräber von jungen Soldaten zu sehen. Als Todesjahr steht 1945 auf den Grabsteinen. „Hohenheim war damals ein Lazarett. Die Wehrmachtsangehörigen sind dort gestorben, als der Krieg schon vorbei war“, sagt Fellmeth. Da sie in Hohenheim ums Leben kamen, wollte man für sie einen kleinen Heldenfriedhof errichten. Deshalb wurde der Hohenheimer Friedhof noch einmal um 600 Quadratmeter erweitert – sehr zum Missfallen eines Professors, der dafür den Garten seiner Dienstwohnung opfern musste. Die restlichen Professoren überstimmten ihn jedoch.

Vor einer Reihe von Grabsteinen bleibt Fellmeth ehrfürchtig stehen. Hier wurden Grabmale verdienter Wissenschaftler aufgestellt, deren Gräber bereits aufgelöst wurden. Nun bilden sie als Zeugen der Geschichte Hohenheims einen Ehrenhain. Unter ihnen ist auch das älteste Grabmal des Friedhofs von Professor Franz von Fleischer. „Er unterrichtete gleich vier Fächer: Zoologie, Mineralogie, Botanik und Chemie“, sagt Fellmeth. Deshalb steht auf seinem Grabstein auch schlicht „Professor der Naturwissenschaften“, die er von 1840 bis 1878 lehrte. „Auch das zeigt einen Wandel an der Uni Hohenheim, weg von den Universalfächern, hin zu Spezialisierungen“, erklärt Fellmeth.

Auf dem Friedhof wurden nicht nur vorbildliche Mitarbeiter der Uni begraben

Aber auch unrühmliche Kapitel von Hohenheim offenbart der Friedhof. Das Grab des Historikers Günther Franz bringt Fellmeth zum Grübeln. Franz war bekennender Nationalsozialist und machte bei der SS eine steile Karriere als Hauptsturmführer. Nach dem Krieg hatte er 13 Jahre lang Berufsverbot, doch schließlich wurde er an der Uni Hohenheim rehabilitiert. „Er hat es sogar bis zum Rektor hier geschafft“, sagt Fellmeth mit einem Kopfschütteln.

Unrühmlich war auch, wie wenig Pflege dem Friedhof in den vergangenen Jahrzehnten zuteil kam: „Er war völlig verwildert.“ Auf Initiative der Universität, des Universitätsbauamts und einiger Spender wurde der idyllische Garten im Jahr 2005 wieder aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Nun wartet der einzigartige Friedhof darauf, hin und wieder von Passanten entdeckt zu werden.