Schüler der fünften Klasse der Bil-Privatschule Foto: dpa

Es bleibt nicht bei einem einfachen Ade. Zum Abschied aus dem OB-Amt in Stuttgart sagt Wolfgang Schuster auch Güle güle. Schuster gibt den Startschuss für das Stuttgart-Istanbul-Zentrum und eröffnet den Neubau für die Bil-Privatschule.

Stuttgart - Türkische Migranten machten 2004 den Anfang für die Bil-Privatschule in Bad Cannstatt – knapp neun Jahre später wird sie, wenn man so will, geadelt. Zur offiziellen Eröffnung des Neubaus auf dem Areal der alten Zuckerfabrik stellen sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Istanbuls Stadtoberhaupt Kadir Topbas am Samstag ein – und Stuttgarts scheidender OB Wolfgang Schuster (CDU).

Die Integration betrachteten die meisten Stuttgarter als einen der politischen Haupttummelplätze ihres Oberbürgermeisters. Insofern scheint es zu passen, dass Schuster wenige Stunden vor seiner Verabschiedung in der Liederhalle noch den Neubau für die Einrichtung eröffnet, die von vielen als „Türkenschule“ betrachtet wird, aber genau dies nach Auffassung ihres Geschäftsführers Muammer Akin nicht ist. Denn Akin sieht die Bil-Schule längst auf dem Weg, eine Privatschule für alle zu sein.

Aus Sicht von Schusters Mitarbeitern sollte die Symbolkraft des Abschiedstermins nicht überstrapaziert werden. Schusters Mitwirkung rühre in erster Linie daher, dass sein Istanbuler Kollege und Freund Kadir Topbas in Bad Cannstatt dabei sein wollte. Der Bürgermeister vom Bosporus hatte vor Jahresfrist schon mit dem türkischen Staatspräsidenten Gül die Schule besucht und sich die Teilnahme an der Eröffnung des Schulneubaus vorgemerkt. Der Termin dafür wurde also auf den 5. Januar gelegt, wenn Topbas sowieso bei Schusters Verabschiedung aus dem Rathaus mit von der Partie sein will. Und doch: Nachdem Schuster bereits beim ersten Spatenstich und der Grundsteinlegung auf dem Zuckerfabrik-Areal war, ist seine Teilnahme an der Eröffnung ein konsequenter Schlusspunkt.

Bil-Privatschule will weg vom Etikett „Türkenschule“

Die Bil-Privatschule für Realschüler und Gymnasiasten – auch sie ist ein Teil der Geschichte der Integration in Stuttgart. Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) macht kein Hehl daraus, dass sie zu Beginn noch recht kritisch an die Bil heranging. Damals war sie noch Fraktionschefin der CDU im Gemeinderat und hielt die neue Privatschule für eine Art von „closed shop“, eine Art von geschlossener Gesellschaft. Inzwischen habe Bil große Offenheit bewiesen und nehme „einen festen Platz im Schulwesen der Stadt Stuttgart“ ein, räumt Eisenmann ein. Die Schule verfolge einen integrativen Ansatz und leiste gute Arbeit. Damit sie noch weiter vom Etikett „Türkenschule“ wegkomme, müsse sie allerdings weiter Überzeugungsarbeit leisten.

Die Verantwortlichen um Bil-Geschäftsführer Akin sind offenbar fest entschlossen, weiter in diese Richtung zu gehen. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, so ist er jetzt erbracht: Als Leiter des Bil-Gymnasiums fungiert seit kurzem Erhard Hönes, der elf Jahre Geschäftsführender Schulleiter der Stuttgarter Gymnasien war und im September 2011 nach 19 Jahren als Leiter des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums in Zuffenhausen mit 64 Jahren in den Ruhestand ging. Er ist der zweite prominente Neuzugang aus dem Bereich des staatlichen Schulwesens. Zuvor hatte Manfred Ehringer, früherer Chef des Staatlichen Schulamts Stuttgart, bei der Bil die pädagogische Leitung übernommen. Momentan zeichnet er verantwortlich für Qualitätsmanagement und Schulentwicklung. Deutlicher kann eine türkischstämmige Privatschule nicht herausstellen, dass sie eine Schule für alle und integriert sein will.

Mit dem Neubau, der schwierige Raumverhältnisse in einem Industriebau in der Sichelstraße in Cannstatt beendet, startet die Schule durch. Die politische Prominenz, die dazu kommt, kann da nur hilfreich sein. Kretschmann habe die Schule schon in seiner Zeit als Fraktionschef der Grünen im Landtag besucht und sei sehr beeindruckt gewesen, sagt Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Vor kurzem sammelte Kretschmann bei einem Staatsbesuch auch Erfahrungen mit der Türkei.

Für Schuster und Topbas ist der Besuch bei der Bil am Samstag nicht die einzige Aktivität mit starkem Türkei-Hintergrund. Am Vormittag werden sie bereits das Stuttgart-Istanbul-Zentrum für Wirtschaft, Wissenschaften und Technologie gründen. Mit Einrichtungen in beiden Städten soll das Zentrum den wissenschaftlichen Austausch und die Geschäfte zwischen den beiden großen Metropolregionen erleichtern. Inhaltliche Schwerpunkte sind im Bereich nachhaltige Entwicklung, Mobilität, Stadtentwicklung, Energieversorgung und Umweltschutz vorgesehen.