Der Bundesrat bremst den Plan des Bundesministers, allen Kommunen in Deutschland ein eigenes Kfz-Kennzeichen zu gewähren. Alte Kennzeichen wie LEO (Leonberg) und NT (Nürtingen) soll es aber wieder geben. Foto: StN

Geht es nach dem Bundesverkehrsminister, darf bald jede deutsche Kommune ihr eigenes Kfz-Kennzeichen festlegen. Der Bundesrat dagegen will nur Altkennzeichen wieder zulassen.

Stuttgart/Berlin - Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Professor aus Heilbronn. Beim Forschungsprojekt „Initiative Kennzeichenliberalisierung“ haben Ralf Bochert und seine Studenten seit 2010 mehr als 40.000 Personen in 176 deutschen Städten befragt. Das Ergebnis: Die große Mehrheit von 74 Prozent der Befragten wünscht sich die Rückkehr zu ihrem Altkennzeichen. Nur zwölf Prozent sprechen sich dafür aus, bei den Nummernschildern alles so zu lassen, wie es ist. Besonders stark ist der Wunsch zu einer Reform in den neuen Bundesländern. Was nicht verwundert: Dort wurden alte Kennzeichen nach der Wiedervereinigung im Rahmen der Gebietsreformen erst in den 1990er Jahren abgeschafft.

Deutlich länger liegt der Verlust alter Kennzeichen in den alten Bundesländern zurück. Dort blieben Autoschilder mit LEO für Leonberg oder NT für Nürtingen schon Anfang der 1970er Jahre auf der Strecke, als es in Baden-Württemberg eine Verwaltungsreform gab. Für Bochert war es deshalb „überraschend“, dass selbst hier zwei Drittel der Befragten ebenfalls zu ihrem alten Kennzeichen zurückwollen.

Geht es nach Ramsauer, könnte künftig jede der 11.250 Kommunen in Deutschland ein eigenes Nummernschild haben

Bereits am 6. April und am 6. Oktober 2011 sprach sich die Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer für die Wiedereinführung der Altkennzeichen aus. Im August dieses Jahres sorgte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für Furore. Er ging viel weiter als seine Länderkollegen und schlug eine völlige Liberalisierung der Kfz-Kennzeichen vor. Geht es nach der Verordnung, die inzwischen in Ramsauers Haus erarbeitet worden ist, könnte künftig jede der 11.250 Kommunen in Deutschland ein eigenes Nummernschild haben und so „zu einer lokalpatriotischen Botschaft werden“.

Am Freitag nächster Woche muss nun der Bundesrat in seiner 900. Sitzung über die vom Minister vorgelegte Verordnung entscheiden. So wie es aussieht, wird es heftigen Widerstand geben. Denn der Innenausschuss des Bundesrats hat bereits sein Votum abgegeben. Darin heißt es: Bei Ramsauer würde „ohne Rücksicht auf historische Entwicklungen eine Vielzahl von neuen zusätzlichen Unterscheidungskennzeichen zulässig werden“. Nicht auszuschließen sei dabei, „dass auch solche Kommunen eigenständige Kennzeichen fordern würden, die in der Vergangenheit nie ein eigenes Kennzeichen geführt haben“. Der Entwurf ließe sogar zu, „Kennzeichen zu wählen, die früher in einem anderen Landkreis oder in einem anderen Bundesland verwendet wurden“. Um dies zu verhindern, müsste wiederum der betroffene Landkreis das Kennzeichen vorher selbst beantragen, auch wenn das Wiederaufleben des alten Kennzeichens dort gar nicht gewollt ist. Fazit des Innenausschusses: „Die im Entwurf enthaltene Regelung geht deshalb zu weit!“ Vielmehr sollte das Votum der Verkehrsministerkonferenz „eins zu eins umgesetzt werden“.

Viele Bundesländer sind längst aktiv geworden

Sollte der Bundesrat am 21. September der Empfehlung seines Ausschusses folgen, wäre die jetzige Verordnung von Ramsauer gestorben. In diesem Fall kann der Verkehrsminister das Verfahren stoppen, selbst eine geänderte Fassung erarbeiten oder aber eine Verordnung vorlegen, die sich am Beschluss der Verkehrsministerkonferenz orientiert. Dem Vernehmen nach sucht der Minister offenbar Ende Oktober nochmals eine Beratungsrunde mit den Ländern.

Das dürfte vielen Bundesländern nicht gefallen, sind sie doch längst aktiv geworden und hoffen auf eine schnelle Entscheidung im Bund. Sachsen und Thüringen wollen wieder alle alten Kennzeichen einführen. Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben festgelegt, die Entscheidung über die Reaktivierung alter Kennzeichen an die Landkreise zu delegieren. Rund 40 Kreise in diesen Ländern haben laut Bochert bereits entschieden, insgesamt 50 Altkennzeichen wieder zuzulassen.

Auch Kreise, deren Kennzeichen über die Kreishauptstadt definiert ist wie im Fall Unna, sind großzügig

Interessant ist dabei nach Auskunft des Professors: Landkreise mit einem Doppelnamen wie Kochem-Zell oder Darmstadt-Dieburg lassen die Wiedereinführung „fast immer zu, da eh schon zwei Gebiete im Landkreisnamen enthalten sind“. Auch Kreise, deren Kennzeichen über die Kreishauptstadt definiert ist wie im Fall Unna, sind großzügig. Bochert: „Die Behörde in Unna versteht, dass sich die Bürger aus Lünen nicht wirklich mit Unna identifizieren.“ Anders sehe es dagegen im Hochsauerlandkreis aus. „Die versuchen sich als Ganzes zu vermarkten und haben somit logischerweise Anfragen nach Altkennzeichen abgelehnt.“

Baden-Württemberg indessen ist noch nicht so weit. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will erst die Entscheidung am 21. September abwarten und danach festlegen, wie man im Südwesten in Sachen Altkennzeichen verfährt. Zu den Nachzüglern zählen auch Bayern, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und das Saarland. Hier müssen sich die Autofahrer ebenfalls noch länger gedulden.