Geplante Nachverdichtung wie auf dem Fasanenhof ist ein heißes Eisen. Foto: Rebecca Stahlberg

Die Landeshauptstadt fördert nach einer Flaute im Jahr 2014 wieder den Wohnungsbau. Die Verwaltung feiert das als Trendwende und Aufschwung. Aber der Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum ist noch weit, meint unserer Redakteur Josef Schunder im Leitartikel. Es müssen noch viele Räder gedreht werden.

Stuttgart -

Wer Versprechungen macht, muss irgendwann liefern. Das gilt auch – oder gerade – für einen OB. Insofern war es Gold wert, dass Fritz Kuhn am Freitag zwar keine neuen Wohnungen liefern konnte, aber positive Zahlen auf dem Papier. 2016 und 2017, glauben Kuhn und sein schwarzer Adlatus Michael Föll, werden im Durchschnitt endlich die 300 Sozialmietwohnungen auf der Förderliste stehen, die Kuhn zum Maß der Dinge ausgerufen hat. Und mit etwas Glück werden die Wohnungen mit zwei Jahren Zeitversatz hoffentlich zur Verfügung stehen.

Schere geht weiter auseinander

Noch schöner wäre es, diese Botschaft ginge einher mit einem Rückgang oder wenigstens der Stagnation der Dringlichkeitsfälle in der städtischen Wohnungskartei. Aber vorerst geht die Schere weiter auseinander. Das bewirkt, dass der Druck auf den OB zur Lieferung von mehr bezahlbarem Wohnraum hoch bleibt. Da bedarf es noch gar nicht der überzogenen Forderungen der Linken, die ein riesiges Wohnungsbauprogramm fordert.

Kuhn verspricht noch mehr

Am Freitag hat der OB sogar mit weiteren Versprechungen nachgelegt und „materielle Ergebnisse“ aus den Arbeitsgruppen des Bündnisses für Wohnen versprochen. Die Ergebnisse will er im Juni in das Handlungskonzept der Stadt einarbeiten. Dann steht ihm und dem Gemeinderat eine weitere Bewährungsprobe bevor. Sie müssen ein Paket schnüren, das von einer möglichst großen Mehrheit im Rathaus getragen wird. Dass die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus vermutlich nicht dabei sein wird, liegt auf der Hand. Ihre Maximalforderungen sind finanziell unrealistisch und nicht zu erfüllen.

Baulöwen müssen gezähmt werden

Damit überhaupt eine Mehrheit übrig bleibt, muss in dem Papier stehen, dass das Prinzip der Innenentwicklung – also Wohnungsbau in Ortslagen statt auf der grünen Wiese wie dem Birkacher Feld – weiter Richtschnur der städtischen Politik bleibt. Dafür müssen die bürgerlich-konservativen Fraktionen zurückstecken. Denn was wäre gewonnen, wenn Stuttgart Gelände wahllos zubaut, Naherholungsflächen der Einwohner entwertet und wenn die Menschen am Ende doch lieber im Umland wohnen als in der Stadt? In den Ortslagen wird man wohl konsequenter Baulücken verwerten und Häuser aufstocken müssen. Aber der In-stinkt der Immobilienmakler, immer weiter zu bauen und dies auch in Stuttgarts grünen Lagen, muss gezähmt werden. Gelänge es Kuhn, die Region und ihre vielen Kommunen für eine gemeinsame Initiative zu Gunsten von bezahlbarem Wohnraum zu gewinnen, könnte er Heldenstatus erlangen. Doch damit ist nicht zu rechnen. Denn zwingen kann die Kommune niemand, wenn der Gesetzgeber nicht mit einem guten Einfall nachhilft.

Um die Wohnungsknappheit in Stuttgart zu mildern, muss man also an vielen Rädern drehen. Das ist wie beim Versuch, den Autoverkehr und die Schadstoffbelastung der Luft zu verringern. Bezahlbare Wohnungen für alle, die in Stuttgart wohnen wollen, wird es nicht geben, sagt die CDU. Wohl wahr. Es kommt auf eine Annäherung an diesen Zustand an. Die ist aber lebenswichtig. Denn die Region wird zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Wohlergehen Fachkräfte unterschiedlichster Einkommensverhältnisse brauchen, die irgendwo wohnen müssen. Darüber sollte man auch in den Kommunen um Stuttgart herum nachdenken.

josef.schunder@stzn.de