Die Tochter macht Vater Dieter Baumann alle Ehre: Jackie Baumann auf dem Weg zum Sieg über 400 Meter Hürden Foto: dpa

Alina Reh überrascht alle: Sich selbst, ihre Konkurrentinnen und die Fans. Bei der DM in Nürnberg läuft sie auf und davon und läutet eine Wachablösung in der deutschen Leichtathletik ein. Mit den Talenten ist zu rechnen, vor allem mit jenen aus Baden-Württemberg.

Stuttgart - Markus Esser hatte Tränen in den Augen – ein starker Mann ganz emotional. Im Grundig-Stadion in Nürnberg nahm der Hammerwerfer aus Leverkusen Abschied vom Leistungssport: „Das ist der richtige Zeitpunkt“, sagte der 35-Jährige. Denn die Wachablösung hat bereits stattgefunden: Erstmals seit sechs Jahren ist Esser nicht mehr die deutsche Nummer eins. Der acht Jahre jüngere Alexander Ziegler gewann den Titel mit 73,91 Metern. „Es war ja vergangenes Jahr schon eng. Dass es jetzt so weit ist, daran kann ich noch gar nicht richtig glauben“, sagte der Athlet der LG Staufen. Ziegler war nicht der einzige, der am Wochenende einen Dauersieger vom Thron schubste. Vor allem die Nachwuchs-Athleten überzeugten: Jugend forsch in Nürnberg.

Alina Reh etwa. Nach ihrem Rennen stand sie zwischen der zweitplatzierten Sabrina Mockenhaupt (16:10,16 Minuten) und Laura Hottenrott (3./16:14,93) und wirkte irgendwie verloren. So selbstbewusst sie auf den 5000 Metern ihre Konkurrentinnen vom ersten Meter an davon gerannt war, so schüchtern wirkte der Lockenkopf von der Schwäbischen Alb, als es darum ging, etwas über die 15:51,48 Minuten und den deutschen Jugendrekord zu erzählen. „Ich habe alles gegeben und es hat geklappt“, sagte die 18-Jährige vom TSV Erbach. Mockenhaupt (34) hatte nach einer Fußverletzung noch Trainingsrückstand und blieb im Duell der Generationen ohne Chance. „Mit Alina Reh haben wir eine Läuferin, die die nächsten zehn, zwanzig Jahre die Szene beherrschen wird“, prophezeite Mockenhaupt und fügte an: „Ich freue mich, dass mir jemand nachfolgt.“

„Die DM ist ein wichtiger Baustein in diesem Jahr“

Auf genau solche Duelle hatte Idriss Gonschinska spekuliert. „Die DM ist ein wichtiger Baustein in diesem Jahr“, betonte der Cheftrainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Für die Athleten auf dem Weg zur Weltmeisterschaft Ende August in Peking – und für den Nachwuchs. „Sie müssen angreifen“, sagte er. Die meisten hörten auf den Chef. Auch Jackie Baumann (19).

Als die Athletin der LAV Stadtwerke Tübingen über die Ziellinie rannte, rutschte Jürgen Scholz ein Freudenschrei heraus. „Ich habe Gänsehaut“, sagte der Präsident des Württembergischen Leichtathletikverbandes (WLV). Die Tochter von 5000-Meter-Olympiasieger Dieter Baumann holte sich über die 400 Meter Hürden in 57,18 Sekunden ihren ersten Meistertitel. „Es war wichtig, dass es endlich funktioniert hat und es ist schön, dass es diese Saison war“, sagte Jackie Baumann. „Und es ist ein toller Erfolg für den WLV“, ergänzte Jürgen Scholz.

Baumann, Reh, aber auch David Nopper (20 Jahre/Hochsprung/Salamander Kornwestheim-Ludwigsburg), Gregor Traber (22/110 Meter Hürden/VfB Stuttgart), Fabian Heinle (21/Weitsprung/LAV Stadtwerke Tübingen), Marie-Laurence Jungfleisch (24/Hochsprung/LAV Stadtwerke Tübingen) und Richard Ringer (26/5000 Meter/VfB Friedrichshafen) holten Titel. Die deutschen Meister sind jung und sprechen badisch oder schwäbisch – meist fließend. Jürgen Scholz freut’s. „So erfolgreich waren wir schon lange nicht mehr bei einer deutschen Meisterschaft“, sagte der WLV-Boss: „Dass wir vor acht Jahren gemeinsam mit unserem Leistungssportdirektor Sven Rees unser Förderprogramm umgestellt haben, fängt an, sich zu auszuzahlen.“

WLV pickt sich gezielt Talente heraus

Statt alle ein bisschen zu fördern, pickt sich der WLV seither gezielt Talente heraus. Zum anderen finden die meisten Athleten am Olympiastützpunkt in Stuttgart „gute Bedingungen und klasse Trainer. Auch dank unsers Landessportverbands und dem DLV“, hob Scholz hervor. „Stuttgart ist Teil unserer Stützpunktkonzeptes“, erklärte Gonschinska. „Wir versuchen auch an anderen Standorten ein ähnliches Modell aufzubauen. Stuttgart ist aber schon jetzt ein herausragendes Beispiel, was Trainer und den Pool an Talenten angeht.“

Ein paar der jungen Baden-Württemberger haben sich durch ihre Leistungen das Ticket für die WM in Peking gesichert. Fabian Heinle zum Beispiel. Er will die Qualifikation überstehen. Oder Marie-Laurence Jungfleisch. Sie peilt „eine persönliche Bestleistung“ an, Gregor Traber will von Rennen zu Rennen schauen und Richard Ringer sich „so teuer wie möglich“ verkaufen. „Überraschungen sind nicht ausgeschlossen“, meinte Gonschinska. So lange die Jungen nur so forsch antreten wie in Nürnberg.