Zwei S-Bahn-Wege führen seit kurzem nach Böblingen. Wer aber in Stuttgart in die S 60 anstatt in die S 1 einsteigt, braucht erheblich länger ans Ziel. Foto: Michele Danze

Die ersten Querverbindungen im Stuttgarter S-Bahn-Netz halten für Gelegenheitsfahrgäste manche Falle parat: Wer etwa vom Hauptbahnhof nach Böblingen will, kann anstatt in die S 1 auch in die S 60 einsteigen – und braucht damit 29 Minuten länger, um ans Ziel zu kommen.

Stuttgart - Es sind die ersten Linien im S-Bahn-Netz, die Fahrgästen mit bestimmten Fahrtzielen zwei Wege eröffnen: Die S 4 führt seit Dezember ebenso wie bisher schon die S 3 nach Backnang, und auch die S 60 bietet nun eine – allerdings schlechtere –, Alternative zur S 1 nach Böblingen.

Ein Leser unserer Zeitung, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, hat beobachtet, dass etwa am Hauptbahnhof die S 6 nach Weil der Stadt häufig als S 60 Böblingen angezeigt werde. „Das ist doch das Falscheste, was man machen“, schreibt der Leser. Er befürchtet, dass Fahrgäste, die direkt nach Böblingen wollen, von einem langen Umweg über den Stuttgarter Norden überrascht werden. Schließlich fährt die S 60 nach Böblingen an Gleis 101 in entgegengesetzter Richtung ab wie die eigentliche Böblingen-Linie – die S 1 an Gleis 102

Ein Bahnsprecher räumt das Problem teilweise ein, sagt aber: „Die S 60 fährt nun einmal nach Böblingen, das kann man nicht anders hinschreiben.“ Er spricht allerdings von vergleichsweise wenig Fällen, die infrage kommen. Erstens pendelt die S 60 frühmorgens und spätabends nur zwischen Böblingen und Renningen, und der Fahrgast aus der Innenstadt hat nur die S 1 für die Fahrt nach Böblingen. Zweitens hängt die S 60 in der Hauptverkehrszeit morgens und spätnachmittags an der S 6 dran. In diesem Fall sieht der Fahrgast auf dem Bahnsteig „S 6 Weil der Stadt“ angezeigt und erst kurz vor der Einfahrt darunter zusätzlich „S 60 Böblingen“. Der hintere Teil des Zuges wird dann in Renningen als S 60 abgekuppelt.

Teureres Ticket für Gelegenheitsfahrer

Der dritte Fall birgt wohl die größte Verwechslungsgefahr. Unter der Woche zwischen etwa 12 und 15.30 Uhr sowie samstags von 8 bis 15 Uhr fährt die S 60 von der Schwabstraße bis Böblingen durch – in diesem Zeitraum geht es tatsächlich in beiden Fahrtrichtungen nach Böblingen. Der Bahnsprecher glaubt allerdings nicht, dass dies häufig zu falschem Einsteigen führt. Stammgäste wüssten ohnehin, an welchem Bahnsteig sie einsteigen müssen, und Touristen oder andere, die noch nie da waren, würden am Bahnsteig ganz genau in den Linienplan schauen.

Das ist auch nötig, denn die längere Route führt durch mehr Zonen und erfordert bei Gelegenheitsfahrern ein teureres Ticket. Mit einem Einzelticket kostet die Fahrt mit der S 60 nach Böblingen 9,70 Euro, mit der S 1 dagegen nur 4,70 Euro. Lediglich Zeitticketinhaber mit einem neuen Verbundpass können den S-Bahn-Ring in beiden Richtungen zum gleichen Preis nutzen.

Der Bahnsprecher verweist darauf, dass es das gleiche Problem mit Backnang gebe: Mit der S 3 kommt man am schnellsten an, mit der S 4 nimmt man den zwölf Minuten längeren Umweg über Ludwigsburg. Und beide fahren vom Bahnsteig 101 ab. Ein Berufstätiger aus dem Schwarzwald, der gelegentlich für eine oder mehrere Wochen in Marbach am Neckar arbeitet, berichtet, dass er in Stuttgart immer wieder ins Schleudern kommt: „Zum Glück bin ich bisher aber noch nicht in die S 3 eingestiegen.“

S 60 nicht barrierefrei

Der Bahnsprecher kennt noch weitere Ziele mit mehreren Anfahrtswegen: Von Plochingen aus können Fahrgäste sowohl mit der S 1 als auch mit dem Regionalzug nach Herrenberg fahren. Letzterer nimmt aber den Weg über Tübingen.

Ein anderer Leser ärgert sich darüber, dass die S 60 nicht barrierefrei geworden sei. So führe der Weg zum S-Bahnsteig in Renningen auch Rollstuhlfahrer und Menschen mit Kinderwagen über einen „toll gestalteten Zugang“ unter die Gleise. Am dortigen Treppenaufgang sei aber Schluss. „Hier setzt man wohl auf das Mitleid anderer Bahnkunden“, schreibt Rolf Maile. Die könnten dann helfen, etwa den Kinderwagen zum Bahnsteig hochzutragen.

„Die Aufzüge in Renningen und auch in Maichingen-Nord fehlen noch“, klärt Jürgen Wurmthaler vom Verband Region Stuttgart auf. Sie gehören zu den sogenannten Restarbeiten, die nach Inbetriebnahme der Linie zu erledigen sind und bei der feierlichen Eröffnung am 9. Dezember auch angekündigt wurden. Dazu gehören laut dem Bahnsprecher auch Asphaltarbeiten an der Strecke, die wegen der kalten Witterung aber seither nicht erledigt werden konnten.