Ein Mann protestiert im französischen Renne gegen die weitere Zulassung von Glyphosat. Am Freitag wurde die Entscheidung dazu in Brüssel allerdings vertagt. Foto: AFP/DAMIEN MEYER

Die Kommission will die Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel um zehn Jahre verlängern, doch unter den EU-Ländern gibt es dafür vorerst keine Mehrheit.

Der Streit um Glyphosat entwickelt sich zu einer unendlichen Geschichte. Am Freitag wollten die EU-Staaten nach Jahren des Streits eine richtungsweisende Entscheidung zum weiteren Umgang mit dem Unkrautvernichter fällen. Doch im sogenannten ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel fand sich keine entsprechende Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission, die Zulassung von Glyphosat für zehn Jahre zu erneuern.

Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass am Ende die fehlende Stimme Frankreichs entscheidend war. Man werde dem Vorschlag der EU-Kommission nicht zustimmen, sagte der französische Landwirtschaftsminister Marc Fesneau am Rande der Sitzung. Wo es Alternativen gebe, solle der Einsatz von Glyphosat eingeschränkt werden. Mehrere Länder, darunter Deutschland, hatten angekündigt, sich zu enthalten oder dagegen zu stimmen. Berlin hat zudem angekündigt, das Mittel ab Anfang 2024 in Deutschland nicht mehr zulassen

Umweltschützer feiern einen Etappensieg

Umweltschützer feiern die Nicht-Entscheidung des Ausschusses als einen Etappensieg in Richtung eines generellen Verbotes des Mittels. „Eine weitere Verlängerung des Einsatzes von Glyphosat wäre unverantwortlich“, betonte die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus am Freitag und fordert ein „klares Nein“ für die Weiterverwendung. „Das Herbizid ist ein echter Naturkiller“, urteilt sie.

Die Politikerin bezieht sich damit auf Studien, die nachweisen, dass im Bereich von Feldern, die mit Glyphosat besprüht wurden, auch weniger Wildpflanzen auf und neben den Flächen zu finden sind, die Lebensraum für Insekten und Feldvögel bieten. Dennoch kommt das Mittel nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes auf rund 37 Prozent der Ackerflächen zur Anwendung. Damit sollen die Felder vor oder kurz nach der Aussaat und erneut nach der Ernte unkrautfrei gehalten werden. Während der Wachstumszeit der Nutzpflanzen kommt Glyphosat nicht zum Einsatz, da auch diese sonst absterben würden.

Umstrittene Untersuchung der EU-Behörde Efsa

Für Empörung unter Umweltschützern sorgte jüngst eine aufwendige Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Die Behörde erklärte im Sommer, sie sehe keine inakzeptablen Gefahren im Falle einer weiteren Zulassung von Glyphosat, es gebe aber Datenlücken in mehreren Bereichen. Für die Untersuchung hatte die Efsa eigenen Angaben zufolge in einem dreijährigen Verfahren Tausende Studien und wissenschaftliche Artikel betrachtet.

Zu den Aspekten, die nicht abschließend geklärt wurden, gehören etwa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen, wie die Efsa mitteilte. Auch mit Blick auf den Artenschutz ließen die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. Die Efsa ermittelte etwa bei mehreren Verwendungen des Wirkstoffs „ein hohes langfristiges Risiko für Säugetiere“. Grundsätzlich schätzt die Behörde mit Sitz im italienischen Parma die untersuchten Risiken aber nicht so groß ein, dass eine weitere Zulassung untersagt werden muss.

Planungssicherheit für die Landwirte

Zu den Befürwortern einer weiteren Zulassung von Glyphosat zählt Norbert Lins, im Europaparlament Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft. Die europäischen Landwirte bräuchten endlich Planungssicherheit, betonte der CDU-Politiker nach der Präsentation der Efsa-Studie im Sommer. „Wir sind uns alle einig, dass die europäische Entscheidungsfindung auf wissenschaftlich und methodisch fundierten Daten begründet sein muss.“ Das sei hier der Fall, denn „selten ist ein Wirkstoff so genau untersucht worden wie Glyphosat“.

Heftig gestritten wird auch darüber, ob Glyphosat krebserregend sein könnte. Die Internationale Agentur für Krebsforschung, ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation, stuft das Mittel 2015 als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ ein. Das bedeutet, dass eine Krebsgefahr grundsätzlich möglich ist. In diese Kategorie fällt aber genauso rohes und verarbeitetes Fleisch. Im Gegensatz dazu schrieb etwa die Europäische Chemikalienagentur erst 2022 erneut, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht genügten, um Glyphosat als krebserregenden, genverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoff einzustufen.

Bayer wirbt für sein Produkt

Der Glyphosat-Hersteller Bayer sieht freilich kein Problem für Mensch oder Umwelt in einer Erneuerung der Zulassung. Das Mittel sei nicht krebserregend und auch andere Methoden wie das Pflügen der Böden oder Abflämmen von Unkraut in der Landwirtschaft schadeten der Biodiversität. Realistisch sei auch, dass Landwirte ohne Glyphosat zur Bekämpfung von Unkraut auf andere zugelassene Herbizide umstiegen, die umweltschädlicher als Glyphosat seien.

In den kommenden Wochen beschäftigt sich nun ein Berufungsausschuss mit dem Thema, der noch Änderungen an dem Vorschlag der Kommission vornehmen kann. Wenn sich in dem Gremium weder eine qualifizierte Mehrheit für noch gegen den Vorschlag findet, kann die EU-Kommission eigenständig entscheiden.