Wahlkampf in Stuttgart: Mit großen Plakaten kämpfen die Parteien um Wählerstimmen – manchmal kommen unerwünschte Reaktionen Foto: Christian Hass Stuttgart

Die maßgebliche politische Kraft in der Landeshauptstadt zu sein, war schon immer etwas Besonderes. Um die Vormachtstellung gibt es auch jetzt wieder ein Duell – zwischen Grünen und CDU. Jeder von ihnen will die Direktmandate. Und zwar alle.

Stuttgart - Die Parteien werfen sich vor der Wahl am 13. März mächtig ins Zeug. Die CDU hat in jedem der vier Stuttgarter Wahlkreise allein schon 30 bis 35 Wesselmänner platziert. Das sind Großplakate im Kanzler(in)-Format. Insgesamt verwendet die CDU 3000 Plakate. Die Grünen wollen in ganz Stuttgart nur wenig mehr Wesselmänner installieren als die CDU pro Wahlkreis, nämlich 37. Aber deswegen sollte niemand an ihrer Entschlossenheit zweifeln. Insgesamt sind für sie 4000 Plakate genehmigt.

Grüne sind die Titelverteidiger

Die Grünen bezeichnen den Gewinn aller vier Direktmandate in Stuttgart als absolutes Muss. Das ist neu für sie. So stark setzte sich die Öko-Partei nie zuvor unter Druck. In Stuttgart ist sie erfolgsverwöhnt, stellt den OB, zwei Bürgermeister und die zweitgrößte Fraktion im Rathaus. Bei der Landtagswahl 2011 ist sie auch zur maßgeblichen politischen Kraft in Stuttgart geworden. Damals eroberte sie drei von vier Direktmandaten.

Untersteller gibt sich selbstbewusst

Die Machtübernahme damals war in der Innenstadt mit der Steuerberaterin Muhterm Aras zum Triumph (42, 2 Prozent, CDU: 26,9) geraten, auf den Fildern und den Neckarvororten im Osten aber knapp ausgefallen. Im Norden hielt Reinhard Löffler (CDU) den heutigen Umweltminister Franz Untersteller auf Abstand (34,2 zu 28 Prozent). Untersteller, der per Zweitmandat ins Parlament einzog, geht das erneute Duell pragmatisch an: „Die drei runter, wir drei rauf, das passt“. Nicht ganz: Die Differenz lag bei 6,2 Prozentpunkten.

„Viele wollten uns damals nur ein paar Monate geben, heute sind 60 Prozent mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden. Wir haben unser Programm umgesetzt“, sagt Untersteller. Die Energiewende sei auf dem Weg, neue Nahwärme-Förderlinien würden in Kürze vorgelegt, Stuttgart profitiere mit dem Schoch-Areal in Feuerbach von der Altlasten-Sanierung, der Hochwasserschutz sei nicht mehr Steinbruch für den Haushalt. Die Grünen haben alles im Griff, ist die Botschaft des Ministers, der auf Plakaten „Energiewender und Naturliebhaber“ ist.

Grüner Stolz auf Finanzpolitik

Nicht nur mit der Umwelt, auch mit Geld könnten die Grünen besser umgehen als die Vorgänger, sagt Aras, die „Steuerfrau und Stuttgarterin“ plakatiert. Die Öko-Partei habe vier Haushalte ohne neue Schulden geschafft, die CDU zuvor in 58 Jahren, in denen die Konjunktur teils auch sehr gut gelaufen sei, nur zwei hingekriegt. Der Erfolg sei nicht von allein gekommen. Firmenabwanderungen, wie sie die CDU vorhersagte, habe es wegen der Grünen nicht gegeben.

Bildung ist ein Thema sowohl der in Anatolien geborenen Aras als auch der gelernten Sozialpädagogin Brigitte Lösch. Die Kleinkindbetreuung sei ausgebaut worden, Gemeinschaftsschule schaffe mehr Bildungsgerechtigkeit und werde trotz Kritik der CDU im Land nachgefragt. Die Gefahr von Armut gebe es im reichen Baden-Württemberg aber nach wie vor, sagt Lösch, deshalb investiere man in Präventionsprojekte. Die Änderung des Wahlrechts für einen höheren Frauenanteil im Parlament haben die Grünen nicht geschafft. Lösch will das in der nächsten Legislatur „weiter angehen“.

Minister ohne Furcht

Stark präsent ist in Stuttgart auch Verkehrsminister Winfried Hermann. An dem „Beweger und Bewegungsminister“ arbeitet sich die CDU ab, obwohl er mehr Geld in den Straßenbau steckte als die Vorgänger. Allerdings kommt bei ihm Erhalt vor Neubau. Die von der Konkurrenz wiederbelebten Themen Filderauffahrt und Nord-Ost-Ring machen ihn nicht nervös: „Die CDU hat in 50 Jahren keinen Autobahnring um Stuttgart gebaut“, sagt er. Die geforderten neuen Straßen seien rechtlich wie ökologisch nicht durchsetzbar, betroffene Kommunen wehrten sich die dagegen, und für die Feinstaubprobleme sei das keine Lösung. Hermann will die Schiene mehr fördern. Beim Thema Stuttgart 21 müsse man bald entscheiden, wie man die Gäubahn-Strecke nutze. Der Grünen-Kreisverband veranschlagt für den Wahlkampf 100 000 Euro plus 5000 von jedem Kandidaten.

Die Christdemokraten sind Herausforderer

Die CDU würde offenbar gern vom Unmut der Autofahrer profitieren. Mit der Kreis-CDU fordert Stefanie Schorn (Stuttgart II/Filder) die Filderauffahrt zwischen B 10 und A 8 sowie den Nordostring. Dies auch als Maßnahmen gegen Feinstaub in der Innenstadt, denn die drohenden Fahrverbote seien „auf Dauer nicht die richtige Lösung“. Bevormundung lehne man ab. Senioren seien mit dem Fahrradfahren und dem Fahren in Bussen und Bahnen manchmal überfordert.

Schorn baut auf ihre Verwurzelung in Sillenbuch und einen „Präsenzwahlkampf“. Sie zeigt Verständnis für die „Verunsicherung“ der Menschen durch die Flüchtlingsproblematik. „Ich bin auch besorgt“, sagt sie dann. Und Richtung Berlin: „Wir erwarten konkretere Lösungen für die dauerhafte Bewältigung.“ Das wurde auch in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Kreisvorstands deutlich, wo wenig Verständnis für die CDU-Kanzlerin herrschte.

Angriffsziel Bildungspolitik

Donate Kluxen-Pyta (Stuttgart I/Mitte) will als Bildungsexpertin die „besondere Unzufriedenheit“ mit der Politik von Grün-Rot auf diesem Gebiet nutzen. Die Grundschulempfehlung solle nicht wiedereingeführt werden, aber eine gute Beratung. Die Realschule solle mehr und mehr zweite Säule des Bildungswesens werden, das „Gymnasium muss Gymnasium bleiben“. Gemeinschaftsschulen wolle man nicht schließen, aber „in Klassengruppen differenzieren“.

Reinhard Löffler (Wahlkreis III/Nordbezirke) fordert „die Feinstaub-Hauptverursacher“, nämlich die Haushalte, ins Visier zu nehmen und energetische Sanierungen von Häusern anzukurbeln. Um das Umsteigen auf Busse und Bahnen zu fördern, müsse man kreativer sein und mehr Anreize geben. Löfflers Motto: Wenn die EU Stuttgart zu Maßnahmen wie Fahrverboten zwinge, „muss man das machen, aber nur wenn die Pistole auf uns gerichtet wird“.

Ruf nach Polizei-Freiwilligen

Löfflers Part im Wahlkampf ist aber eher die Wirtschaft. Für sie fordert er bessere Breitbandkabel, verwaltungsmäßig müsse Stuttgart Smart City mit digitalen Dienstleistungen werden, damit die digitalisierte Wirtschaft den richtigen Partner hat. Beim Wohnungsbau will er Anreize geben, indem man Ersterwerber von Immobilien fünf Prozent Grunderwerbsteuer erlässt.

Roland Schmid (Wahlkreis IV/Neckarorte) treibt besonders auch die Sicherheitsfrage um, zumal in fünf von 20 Häusern in seiner Wohnstraße in Cannstatt eingebrochen worden sei. Man solle den Polizeifreiwilligendienst wieder ernster nehmen, die hauptamtliche Polizei entlasten. Die müsse draußen wieder sichtbarer sein. Man müsse ihr auch mehr Möglichkeit zur Videoüberwachung von öffentlichen Bereichen geben.

Unnötig zu sagen: Auch die CDU will alle vier Wahlkreise direkt gewinnen.