Stefan Räpple sitzt im Stuttgarter Landtag. Foto: dpa

Die AfD-Fraktion im Landtag entsendet ausgerechnet einen Abgeordneten in die Jury für eine Auszeichnung gegen Minderheitenfeindlichkeit, der sich nicht vom Antisemitismus abgrenzt. Die anderen Fraktionen empfinden das als eine Provokation.

Stuttgart - Mit der Oppenheimer-Auszeichnung würdigen der Landtag von Baden-Württemberg und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) alle zwei Jahre „herausragendes Engagement gegen Minderheitenfeindlichkeit und Vorurteile in Wissenschaft und Publizistik“. Der Preis wird verliehen zum Gedenken an Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer, der am 4. Februar 1738 in Stuttgart wegen judenfeindlicher Anschuldigungen zum Opfer eines Justizmordes geworden war.

Ein Beirat sucht aus eingereichten Vorschlägen die Preisträger heraus. Er besteht in diesem Jahr aus Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne), Staatssekretärin Theresa Schopper (Grüne), den IRGW-Vorstandsmitgliedern Barbara Traub und Michael Kashi, dem Landesvorsitzenden des Deutschen Hochschulverbands, Rainer Gadow, dem Journalist Marcus Mockler sowie je einem Abgeordneten der fünf Landtagsfraktionen. Ende April soll das Gremium zusammentreten.

Für die Alternative für Deutschland wird Stefan Räpple in dem Beirat sitzen – ausgerechnet jenes Fraktionsmitglied, das sich nicht von Antisemitismus und Rassismus distanziert. Die IRGW teilt auf Anfrage mit, dass sie die Entsendeentscheidungen der Fraktionen zur Kenntnis genommen habe. Wen die einzelnen Fraktionen benennen, obliege allerdings ihnen. Klaus Hoher, von der FDP-Fraktion in den Beirat entsandt, sagt: „Demokratie bedeutet auch, die Gegenwart von Menschen zu ertragen, deren Überzeugungen vollkommen jenen widersprechen, die man selbst besitzt.“

Großes Unverständnis bei Grünen, CDU und SPD

Die Beiratsmitglieder der anderen Fraktionen Wilhelm Halder (Grüne), Bernhard Lasotta (CDU) und Reinhold Gall (SPD) haben für diese Besetzung der AfD unterdessen kein Verständnis. „Das ist ungeheuerlich“, kritisiert Lasotta: „Ich empfinde das als Provokation – auch gegenüber den Beteiligten der jüdischen Gemeinde.“ Zweck der Auszeichnung sei, Gedanken der Offenheit und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt zu stellen, sagt der CDU-Abgeordnete: „Dazu passt diese Besetzung nicht.“

Der Sprecher für Religionsfragen und Beiratsmitglied der Grünen-Fraktion, Wilhelm Halder, sagt, er halte die Besetzung für „bedenklich“. Bei der Auswahl der Vorschläge für die Auszeichnung brauche es eine Menge Empathie. Räpple sei ihm bisher jedoch„nicht als einfühlsamer Mensch“ aufgefallen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Reinhold Gall sagt sogar, es sei ihm bisweilen „unangenehm, mit Herrn Räpple in einem Raum zu sitzen“ – wegen dessen unberechenbarer, impulsiver Art.

Mehrere Ausraster von Räpple

Im vergangenen Jahr war der Abgeordnete aus Kehl mehrmals negativ aufgefallen. Erst bezeichnete Mitglieder anderer Fraktionen in einer Parlamentsdebatte als „Volksverräter“ , später rastete er laut Augenzeugen im Verfügungsraum seiner Fraktion aus und wurde gegen seinen AfD-Kollegen Stefan Herre handgreiflich. Im Stuttgarter Landtag war auch immer wieder zu beobachten, wie Räpple mit Wolfgang Gedeon sympathisierte, der im vergangenen Sommer wegen antisemitischer Schriften die Fraktion hatte verlassen müssen.

Vor zwei Wochen wurde dann bekannt, dass Räpple als einziger Abgeordneter die Präambel gegen Antisemitismus und Rassismus im Zuge der Wiedervereinigung von AfD und ABW im Oktober des vergangenen Jahres nach wie vor nicht unterschrieben hat. Man habe ihn mehrmals gebeten, das Papier zu unterschreiben, sagte der Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen damals. Räpple kooperiere in der Sache aber nicht.

AfD-Fraktionsvize Sänze verteidigt Räpple

Die Fraktion sanktionierte ihn daraufhin intern – wie genau, darüber machte sie keine Angaben. AfD-Fraktionsvize Emil Sänze spielt das Thema im Gespräch mit unserer Zeitung nun allerdings herunter. Die fehlende Unterschrift werde „völlig überbewertet“, sagt er. Er sei sich sicher: „Herr Räpple ist kein Antisemit.“ Er sehe deshalb „kein Problem“, dass Räpple Mitglied des Beirats zur Oppenheimer-Auszeichnung bleibe.

Im Herbst habe Räpple sich in einer Fraktionssitzung für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt und sei damals demokratisch gewählt worden. „Es gab noch andere Kandidaten, es war dann aber ein Mehrheitsbeschluss“, sagt Sänze.

Räpple selbst äußerte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht.