Weil sie um ihre Altersversorgung fürchten, haben Landesangestellte heute bei einer Kundgebung die Landesregierung kräftig ausgepfiffen. Allein 800 kamen aus Stuttgarter Institutionen zu der Demonstration mit insgesamt 1200 Teilnehmern.

Stuttgart - Nils Schmid, der Finanzminister der baden-württembergischen Landesregierung, kann das Pfeifkonzert nicht überhört haben. Direkt unter den Fenstern seines Ministeriums im Neuen Schloss war die Rednertribüne der Gewerkschaften aufgebaut, und von dort tönte wenig Schmeichelhaftes: „Wo ist Euer Respekt vor unserer Arbeit? Ihr solltet uns anständig bezahlen!“

In diesen Chor haben rund 1200 Landesbedienstete im Angestelltenverhältnis – Lehrer, Mitarbeiter von Museen, Unis und anderen Institutionen anlässlich des Warnstreiks am Donnerstag eingestimmt.

„Mehr als 20 Jahre lang haben uns die Länderfinanzminister Lohnzurückhaltung und Mäßigung aufgezwungen mit Hinweis auf leere öffentliche Kassen“, sagte Michael Futterer, der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Diäten der Abgeordneten, befand der Redner der Gewerkschaft der Polizei, Hans-Jürgen Kirstein, seien hingegen ohne Rücksicht auf vermeintlich leere Kassen unverzüglich an die Preisentwicklung angepasst worden. Bei den Angestellten aber zögere man und wolle sogar noch an die betriebliche Altersversorgung ran: „Eine Mutter sorgt sich um ihr Kind und nimmt ihm nicht auch noch die Milch weg“, ruft Kirstein ins Publikum, das sich von der emotionalen Rede mitreißen lässt, kräftig in die Trillerpfeifen bläst und applaudiert, als der Redner zum Schluss kommt: „Wir haben keine Angst vor einem unbefristeten Streik, wir sind dabei.“

Die Landesbeschäftigten haben an der Demo von GEW, Verdi und der Gewerkschaft der Polizei teilgenommen, weil sie seit langem unzufrieden sind: Die Lehrer – landesweit waren 2000 im Streik – „wollen die Bezahlung nach Gutsherrenart beenden“ und fordern Tarifverträge, so Doro Moritz von der GEW. Die anderen Angestellten beklagen zu niedrige Löhne und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten. „Wichtig ist die Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent“, sagt Manuela Schenk, die Personalratsvorsitzende der Wilhelma-Belegschaft. „Unsere Leute verdienen netto zwischen 1200 und 1500 Euro, davon kannst du ohne Partner nicht leben.“ Rund 30 von 300 Wilhelma-Beschäftigte hatten sich am Donnerstag an dem Streik beteiligt. Zu Einschränkungen für die Besucher sei es nicht gekommen.

Auch Klaus Schrankenmüller, Personalrat am Staatstheater, hält die Eingruppierungsstufen für zu niedrig: „80 bis 100 unserer Leute sind heute im Streik, allerdings werden bei Bedarf Leute von außen eingesetzt, damit keine Vorstellung ausfällt.“

Was die Demonstranten besonders fürchten, ist eine noch schmalere Rente: „Wer uns an die betriebliche Altersversorgung will, der macht keinen guten Job“, sagt Cuno Hägele, der Stuttgarter Bezirksgeschäftsführer von Verdi. „Meine Rente liegt nach 40 Dienstjahren im dreistelligen Bereich“, sagt eine Demonstrantin, die bei der Kriminalpolizei angestellt ist. Viele jüngeren Kollegen, die durchschnittlich 1600 Euro netto verdienten und keine Aufstiegsmöglichkeiten hätten, „haben einen zweiten Job“.

Unter den Demonstranten sind auch Mitarbeiter des Stuttgarter Gartenbauamts. Vorsorglich. „Wir machen eine kämpferische Mittagspause, denn wir fürchten, dass die Kürzung der Altersversorgung auch bei den Kommunen kommen soll“, sagt der Personalratsvorsitzende Jürgen Rönsch.

Landesweit haben am Donnerstag nach Angaben der Gewerkschaften rund 5000 Landesbeschäftigte, rund 800 davon aus staatlichen Institutionen, die in Stuttgart angesiedelt sind, gestreikt. 700 Demonstranten haben an einer Kundgebung in Tübingen teilgenommen. An diesem Samstag verhandeln Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften erneut in Potsdam.